Lade Veranstaltungen

Sie spricht zum Gedenken an die Reichspogrome 1938
am Mi., 9. November 2022, 19:00 Uhr
im Herborner Johanneum
Otto-Wels-Straße 1a | 35745 Herborn

Wer ist Eva Umlauf?
Eva Hecht wird am 19.12.1942 im KZ Nováky in der Slowakei geboren. Es war bitter kalt, so dass selbst dass Wasser im Eimer gefror. Die Eltern waren Zwangsarbeiter. Die damals 19 Jahre junge Mutter Agnes Hecht arbeitete in der Schneiderei, der Vater Imrich Hecht in der Buchhaltung. Das KZ Nováky untersteht im Unterschied zu anderen nicht der SS, sondern dem slowakischen Innenministerium.

Ernst Brückler fungierte als SS-Oberscharführer »nur« als externer Berater. 1941 hatte der von Hitler geförderte neue slowakische Staat außerhalb von Nováky eines von noch drei Lager für slowakische Juden errichtet. Sie umfassten Arbeits-, Straf-, Sammel- und Durchgangslager (DULAG). Bereits 1942 wurden in der sogenannten »Aktion David« von März bis Oktober Deportationen durchgeführt. In 57 Transporten wurden insgesamt 57. 628 slowakische Juden in »KZ- und Vernichtungslager« in das »Generalgouverment Polen« überführt. Hitlers Vasallenstaat Slowakei zahlte an das Deutsche Reich 500 Reichsmark für jeden deportierten jüdischen Slowaken; zusammen also 28.814.000 Reichsmark für die Deportation inkl. 14 Tage Kost und Unterbringung.

Der Slowakische Nationalaufstand, der vom 30. August 1944 bis in den September hinein dauerte, wurde mit Hilfe der SS und Wehrmacht brutal niedergeschlagen. Darauf folgend werden von Oktober bis November auch die verbliebenen jüdischen Widerstandskämpfer nach Auschwitz verbracht. Die Zerstörungen des Krieges machten auch vor den Bahnstrecken nicht halt, und so kam es immer wieder zu Verzögerungen der Transporte. Am 3. November 1944 kommen die Eheleute Hecht mit Eva mit dem letzten Zug aus dem slowakischen Sered in Auschwitz an. In der Todesfabrik angekommen, sieht Eva ihren Vater das letzte Mal. Er marschiert mit einem »Todesmarsch« im November 1944 in das KZ Mauthausen; Außenlager Melk in Österreich. Mutter und Tochter werden bei Ankunft in Auschwitz die Nummern A26958 und Eva die gleiche Nummer mit der folgenden endstelligen Ziffer 9 in den Unterarm tätowiert. Eva wird ohnmächtig.

Die Tätowierung ist ein Akt der Entmenschlichung. Der Häftling hat keinen Namen mehr. Der Mensch wird jetzt zur anonymen Nummer. In den KZs wird alles peinlich genau festgehalten und dokumentiert. Damit die Deutschen wissen, was sie vergessen sollen. Die Weltöffentlichkeit sollte nicht erfahren, welche Verbrechen die Deutschen in den KZs begangen haben. So fehlen im KZ Treblinka fast alle Dokumente über 950.000 Ermordete, wie auch in

• Sobibor: 250.000 Tote
• Kulmhof: 160.000 Tote
• Belzec: > 450.000 Tote
• Maly-Trostinez (Belarus): 60.000 Tote
• Bronnaja Gora (Belarus): 50.000 Tote
• Jasenovac (Kroatien): > 80.000 Tote

In fast allen Konzentrationslagern konnte die SS die Dokumente vernichten, nur nicht in Auschwitz.

Die »ordnungsgemäße« Entsorgung der Dokumentation von mehr als 1.100.000 in Auschwitz systematisch durchgeführten Morde wurde durch die äußerst schnell aufeinander zulaufenden Fronten verhindert. In aller Eile sprengte die SS die Krematorien und Gaskammern und stellte den Massenmord mit Zyklon B ein. Die SS-Wachmannschaft von 6.000 Mann wurde im Laufe der nächsten 10 Wochen in westlich gelegene Konzentrationslager abkommandiert.

Das rettet Eva das Leben, denn ihr Zug war als letzter Transport komplett zur Vergasung vorgesehen. Doch nun beginnen die sogenannten Todesmärsche. Zu den Risiken einer Flucht, stellen kleine Kinder ein enormes Hindernis dar.

Eva verbleibt mit ihrer Mutter im KZ Auschwitz, wie auch mehrere tausend andere Häftlinge, die für einen Todesmarsch zu entkräftet waren. Am 27. Januar 1945 werden Eva, ihr Mutter und mehr als 7.300 weitere Häftlinge von der Roten Armee im KZ-Auschwitz befreit. Viele Zurückgebliebene starben dennoch in den kommenden Wochen und Monaten an den Folgen der unmenschlichen Haftbedingungen, dem Hunger und den Krankheiten.

»Vergessen Sie das Kind, es wird nicht leben!«, sagte ein Arzt zu Evas Mutter, die wieder schwanger war. Doch Evas Mutter beschließt kurzerhand im KZ »wohnen« zu bleiben. Erst nach Kriegsende und der Geburt von Nora im April 1945 kann sie ihre Energien bündeln. Mit dem Säugling im Arm und dem Kleinkind an der Hand reist sie in die Heimat und nimmt auch den 6jährigen elternlosen Nachbarjungen Tommy mit. Zu Hause angekommen bedurfte die geschwächte Eva starker Fürsorge, während sie begreift, dass keiner ihrer Familie überlebt hat. Eva beschreibt, diese Verantwortung für die beiden Kinder als Kraft der Mutter, die sie aufrecht hielt, um durchzuhalten.

Nach dem Abitur studiert Eva in Bratislava Medizin und verlässt danach mit dem Examen in der Hand ihre Mutter in das »Land der Täter«. Die Nummer auf dem Arm ist für Eva kein Stigma. Sie hatte diese immer als ein besonders persönliches Merkmal angesehen und angenommen.

Erst seit dem Alter von 70 Jahren bezeichnet sie sich selbst als »Holocaust-Überlebende« und trauert darüber, diese Schwelle nicht frühzeitig genug erkannt zu haben, um mit ihrer Mutter über all das Leid zu sprechen. Aber, so sagt sie, wahrscheinlich waren eben die Ereignisse so traumatisch, dass sie der Mutter, im wahrsten Sinne des Wortes, die »Sprache verschlagen« hatten.

Eva Umlauf reflektiert im Vortrag ihre Erlebnisse als Überlende von Auschwitz und berichtet aus ihren Aufarbeitungen als Kind und Erwachsene, den Begegnungen mit Anderen und anderen Überlebenden. Beim Gespräch und dem ständigen Abgleichen behält sie stetig ein inneres Auge darauf gerichtet, wie sich Vertrauen wieder aufbaut und wie viel Zeit es braucht, damit sich zu einem geeigneten Moment die Sprache schließlich wieder »normalisiert«.