Die Aufarbeitung seit 1985

Die Ausstellung der IG Metall Wetzlar

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Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung

Anfang der 1980er Jahre hatte die Beschäftigung mit der Geschichte der Arbeiterbewegung im Raum Wetzlar für die IG Metall Verwaltungsstelle Wetzlar im Rahmen der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit große Bedeutung.

Als 1985 im Verlauf der Nachforschungen über die Bedeutung der Rüstungsproduktion für die Wetzlarer Industrie zahlreiches Material gesichtet wurde, das den Umfang und die Praxis des Einsatzes von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in Wetzlar in den Jahren 1939–1945 belegte, beschloss die IG Metall Wetzlar, dieses Material in Form einer Ausstellung von Karin Bernhardt, Reinhard Jahn und Witich Rossmann dokumentieren zu lassen.

Wanderausstellung seit 1986: »Verschleppt, entrechtet, ausgebeutet«

Die Ausstellung »Verschleppt, entrechtet, ausgebeutet« wurde erstmalig vom  22. bis 26. September 1986 im alten Stadthaus am Dom der Öffentlichkeit präsentiert.

Sie ist eine Pionierarbeit in der Geschichtsforschung zur NS-Zwangsarbeit und umfasst 29 DIN-A 0 große Schautafeln:

  • Titeltafel
  • Aufrüstung
  • Granaten
  • Zwangsarbeiter und Frauen
  • Zwangsarbeiterlager
  • Anwerbung
  • Deportation
  • Sonderzuweisung
  • Entwürdigung
  • Entrechtung
  • Kontaktverbot
  • Kleidung
  • Hunger
  • Arbeitsbedingungen
  • Lohn
  • Gewinne
  • Strafsystem
  • Hand in Hand
  • Misshandlungen
  • Arbeitslager
  • Ein Schicksal
  • Widerstand
  • Mitleid, Anstand,  Solidarität
  • Keine Liebe in Deutschland
  • Gefühle
  • Tod einer Mutter
  • Arbeitsunfähigkeit
  • Prozess Hadamar
  • Gedenktafel  Friedhof Niedergirmes

Kontaktaufnahme mit Zeitzeugen: 1987 besucht Thomasz Kiryllow Wetzlar

Von der nationalen Gedenkstätte Buchenwald (DDR) erhielt das Team für Gestaltung der Ausstellung den Hinweis, dass der Pole Thomasz Kiryllow als 17-jähriger zur Zwangsarbeit nach Wetzlar verschleppt worden war und ein Buch über seine Erlebnisse geschrieben hat. Die IG Metall Wetzlar nahm Kontakt zu ihm auf. Im März/April 1987 war Kiryllow Gast der IG Metall und erzählte von seinen Erlebnissen als Jugendlicher in Wetzlar am 1. April in der Aula der alten Werner-von-Siemens-Schule.

Bericht Rüdiger Kreisel

Bericht in der Wetzlarer Neuen Zeitung zur Ausstellung am 22.09.1986

Bild mit Tomasz Kiryllow vor der Ausstellung

Tomasz Kiryllow am 01.04.1987 vor den Ausstellungstafeln in der Siemens-Schule

Einladungsflyer und Bericht von Besuch Kiryllows 1987

Zwangsarbeiterentschädigung

Physische und psychische Leiden

1945 hatte das Ende des Zweiten Weltkriegs die Befreiung gebracht, doch die meisten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter leiden ihr Leben lang unter den physischen und psychischen Folgen der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft.

Vom deutschen Entschädigungsrecht wurden sie lange Zeit nicht berücksichtigt. Die Unternehmen entzogen sich ihrer Verantwortung, indem sie auf den Staat als Rechtsnachfolger des Dritten Reichs verwiesen.

Entschädigung erst ab 2000

Erst 1998 strebte die rot-grüne Regierung die Gründung einer Stiftung zur Entschädigung von ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern an.

Zur gleichen Zeit drohten deutschen Unternehmen, die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beschäftigt und keinerlei Entschädigung geleistet hatten, Sammelklagen und Boykotte in den USA.

Am 16.02.1999 wurde die »Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft« gegründet. An ihr beteiligt waren vor allem exportorientierte Großunternehmen, die ihre Mitwirkung als humanitäre Geste und nicht als Schuldeingeständnis verstanden.

Das »Gesetz zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter« wurde am 6. Juli 2000 vom Deutschen Bundestag verabschiedet. Auf der Grundlage dieses Bundesgesetzes wurde, nach langwierigen internationalen Verhandlungen, am 12. August 2000 die Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« (EVZ) gegründet.

An ihrem zehn Milliarden DM Fond beteiligten sich deutsche Unternehmen mit fünf Milliarden DM.

2007 war die Entschädigung abgeschlossen

Die Umsetzung der Entschädigungen war kompliziert. Es mussten Anträge gestellt und die Leistungsberechtigung festgestellt werden. Konnten Nachweise erbracht werden, bekamen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in der Industrie eine einmalige Zahlung von 2.556 Euro.

Bild mit Tomasz Kiryllow vor der Ausstellung