WETZLAR ERINNERT e.V.

NS-Zwangsarbeit
Zeit der Aufarbeitung und Dokumentation ist reif

Verschleppt • Entrechtet • Ausgebeutet
Das System der Zwangsarbeit im NS-Staat

Ein Einblick in die Arbeits- und Lebensbedingungen der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter während der NS-Zeit. Den Begriff Zwangsarbeit haben die Nazis nie benutzt. Es war ein Beschäftigungssystem zur Sicherstellung der Kriegswirtschaft, nach dem die deutschen Männer aufgrund deren Einberufung zur Wehrmacht größtenteils dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung standen.

In der Westdeutschen Nachkriegsgeschichte wurde das NS-Verbrechen »Zwangsarbeit« bis Ende der 1970er Jahre verschwiegen. Erst dann forschten die lokale Geschichtswerkstätten und andere Initiativen über die Verstrickung des NS-Staates, vieler Unternehmen und der SS in dieses verbrecherische Beschäftigungssystem. Und sie erhielten hierfür viel Gegenwind und Widerstand. Teils aus Angst

  • der Beschädigung des Renomees für das Land und die Unternehmen
  • vor Reparationszahlungen an Betroffene, die überlebt hatten.

Die IG Metall Verwaltungsstelle Wetzlar gehörte bundesweit zu den ersten, die das Thema für den Altkreis und die Stadt Wetzlar erforschten. Eine 1986 erstellte Ausstellung mit den Ergebnissen dieser Recherchearbeiten war eine Pionierleistung für die ganze Republik. Zwischenzeitlich gibt es auch bundesweite Erforschung und Einrichtungen wie die Stiftung »Erinnern Verantwortung Zukunft« EVZ und die »Dokumentationsstelle NS-Zwangsarbeit« in Berlin.

1945 – 2020 75 Jahre seit der Befreiung von knapp 10tausend Zwangsarbeiter*innen in Wetzlar

Am 29. März 1945 besetzten die US-amerkanischen Bodentruppen Wetzlar und befreiten dabei Tausende von Zwangsarbeiter*innen, die vor allem in den Lagern der hiesigen Industrieunternehmen gefangen gehalten und als Arbeitssklaven missbraucht worden waren. Das ist nun 75 Jahre her, also ein gutes Menschenleben vorbei. Die Zeit ist reif zu begreifen, dass dieses Kapitel zwischenzeitlich ein Teil der Industriegeschichte Wetzlars wurde. Die Zeit ist reif, die seit 1986 bestehenden Forschungsergebnisse so aufzubereiten, dass sie in der Museumslandschaft der Stadt Wetzlar Eingang finden können.

Seit Bestehen unseres Vereins (2013) bemühen wir uns, dieses Vorhaben in Kooperation mit anderen eine Dauerausstellung in einem der Wetzlarer Museen zu realisieren. Diese Kooperation – z.B. mit der Werner von Siemens-Schule – haben tolle Ideen hierfür hervor gebracht. Die Ergebnisse dieser Arbeit finden Sie in diesem Bereich unserer Homepage

Nachfolgend finden Sie Detailinformationen zum System der Zwangsarbeit während der NS-Kriegswirtschaft und dessen Ausmaß in Wetzlar. Klicken Sie hierzu auf das von Ihnen gewünschte Thema zur Öffnung der Detailinformation.

Danach finden Sie eine Übersicht der Tafelstifter dieser Gedenktafeln und deren Statements, warum sie dieses Projekt unterstützen.

 

Aufgrund der allgemeinen Mobilmachung befanden sich viele Männer im Kriegseinsatz. Zwangsarbeit war deshalb das wichtigste wirtschaftspolitische Mittel, um die industrielle Leistungsfähigkeit Deutschlands aufrechtzuerhalten.

Zwangsrekrutierung
Da freiwillige Anwerbung nicht ausreichte, wurden einzelne Männer und Frauen, aber auch ganze Familien und Dörfer durch die deutschen Besatzer verschleppt.

Arbeit als Beute
Von der Zwangsarbeit profitierte das Reich u.a. durch erhöhte Steuereinnahmen in Form der »Ausländerabgabe« und der »Verleihgebühr«. Die Verteilung der Menschen im Reichsgebiet wurde von den Arbeitsämtern koordiniert.

Arbeiter ist nicht gleich Arbeiter
Zwangsarbeiter aus Westeuropa erhielten eine leichtere Arbeit und bessere Verpflegung als »Ostarbeiter«. So kam bei der Behandlung die NS-Rassenlehre deutlich zum Ausdruck.

Ostarbeiterinnen auf dem Weg in das Leitzlager

Frauen aus den besetzen Teilen der Sowjetunion auf dem Weg in ein Barackenlager der Fa. Leitz GmbH auf der Lahninsel (Bild: Alte IGM-Ausstellung)

Zwölf Millionen Menschen leisteten Zwangsarbeit.
Auf dem Höhepunkt des »Ausländereinsatzes« im August 1944 arbeiteten sechs Millionen zivile Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter im Deutschen Reich, die meisten davon aus Polen und der Sowjetunion. Über ein Drittel waren Frauen, von denen manche gemeinsam mit ihren Kindern verschleppt wurden oder diese in den Lagern zur Welt brachten. Außerdem mussten 1944 fast zwei Millionen Kriegsgefangene in der deutschen Wirtschaft arbeiten. Ab 1943 griff die deutsche Industrie immer stärker auch auf Konzentrationslager-Häftlinge zu. In der Zeit des 2. Weltkrieges waren hiervon rund 12 Mio. Menschen betroffen.

Kreisdieagramm Zwangsarbeit durch wen        Die größten Städte heute = Zahl der Zwangsarbeiter

Unter den KZ-Häftlingen waren auch Deutsche, die seit 1933 als politische Häftlinge Zwangsarbeit leisten mussten. 12 Millionen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter: Das sind die heutigen Einwohnerinnen und Einwohner der zehn größten Städte Deutschlands. In ihnen leben rund 12 Millionen Menschen.

Zwangsarbeit in der Kriegswirtschaft
Alle überfallenen Länder wurden als Arbeitskräftereservoir für Deutschland genutzt. Anfängliche Anwerbungsversuche hatten geringen Erfolg; nach Tschechien und Polen wurden ab 1940 auch aus Westeuropa immer mehr Männer und Frauen – zum Teil in kompletten Jahrgängen – dienstverpflichtet. Die große Wende brachte aber das Jahr 1942, als das Deutsche Reich nach dem Scheitern der »Blitzkrieg«-Strategie auf die Kriegswirtschaft des »totalen Kriegs« umstellte.

Dies war angesichts der Einberufung fast aller deutschen Männer nur mit der massenhaften Ausbeutung ausländischer Arbeitskräfte durchzuführen. Sie bildeten mehr als ein Viertel, in manchen Werksabteilungen bis zu 60 Prozent der Belegschaft. Nur mit ihnen wurde die Versorgung der Bevölkerung und die von Albert Speer als dem zuständigen Minister organisierte Rüstungsproduktion aufrechterhalten.

Großunternehmen wie auch kleine Handwerksbetriebe, Kommunen und Behörden, aber auch Bauern und private Haushalte forderten immer mehr ausländische Arbeitskräfte an und waren so mitverantwortlich für das System der Zwangsarbeit. Die Industrie profitierte von der dadurch möglichen starken Ausweitung der Produktion.

(Quelle: EVZ-Stiftung)

Woher kamen die zivilen Arbeitskräfte, die als »Fremdarbeiter« zwangsverpflichtet wurden?

Unter Zwangsarbeit versteht man insbesondere die Verschleppung und Ausbeutung von über 13 Millionen ausländischer KZ-Häftlinge, Kriegsgefangenen und »zivilen« Arbeitskräften in Deutschland. Zwangsarbeit gab es auch in Ghettos, »Arbeitserziehungslagern« und anderen Lagern im besetzten Europa und betraf etwa 20 Mio. Menschen. Deutsche Jüdinnen und Juden und deutsche Häftlinge leisteten ebenfalls Zwangsarbeit. In vielen besetzten Ländern gab es einen allgemeinen Arbeitszwang für die Zivilbevölkerung. Außerdem im Deutschen Reich den Reichsarbeitsdienst, Dienstverpflichtungen, Landjahre etc.

Fremdarbeiter
Umgangssprachliche Bezeichnung für »zivile« Zwangsarbeiter im NS. Der Begriff »Fremdarbeiter« verschleiert den Zwang als Grundlage des Arbeitseinsatzes. Selbst die ursprünglich freiwillig, d. h. oftmals aus wirtschaftlicher Not nach Deutschland gekommenen »Fremdarbeiter« wurden später zwangsverpflichtet.

Fremdvölkische
NS-Bezeichnung für Menschen, die als nicht »germanischer Abstammung« und nicht zur »Volksgemeinschaft« zählend galten. D.h.:, die nicht aus »germanischen« Ländern wie den Niederlanden oder Skandinavien kamen. Als »rassisch minderwertig« wurden insbesondere Slawinnen und Slawen, Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma sowie Farbige angesehen. Auch dann, wenn sie Deutsche waren.

NS Zwangsarbeit die Herkunftsländer der »Fremdarbeiter«

1944: Jeder Dritte in Wetzlar ein Zwangsarbeiter
Während des Zweiten Weltkrieges prägten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter überall das Erscheinungsbild in Wetzlar. Die Meldungen über den Umfang von im Altkreis Wetzlar beschäftigten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern schwankte in den letzten Kriegsjahren zwischen

8.000 und 10.000 Menschen.
Laut einer Meldung des Landrates an die »Geheime Staatspolizei« vom 25.11.1944 waren

  • 9.575 Ausländer im Altkreis Wetzlar im Landkreis registriert (Siehe Ablichtung der Meldung an die »Geheime Staatspolizei«. Hierbei nicht mitgezählt sind Kriegsgefangene).Von diesen mussten
  • 5.101 Menschen in Barackenlagern in Wetzlar hausen.Hierunter waren
  • 3.299 Männer
  • 1.710 Frauen
  •      92 KinderWeitere
  • 1.764 Menschen lebten im Altkreis Wetzlar in Lagern bei den dortigen Unternehmen.Die restlichen
  • 2.710 Menschen arbeiteten in Kleinunternehmen.
    Beispielsweise in Hotels, im Handwerk, in der öffentlichen Verwaltung sowie auf Bauernhöfen und ersetzten dort die an die Front einberufenen deutschen Fachkräfte. Sie wohnten teilweise in den dortigen Häusern oder in Ställen der Bauernhöfe.

Meldung von Fremdarbeitern des Landrats an geheime Staatspolizei 25.11.1944

Oben: Die Meldung des Wetzlarer Landratsamtes an die Geheime Staatspolizei vom 25.11.1944 über die Anzahl von Fremdarbeitern.
Quelle: Historisches Archiv Wetzlar

Die Lager prägten das Stadtbild in der Kriegszeit entscheidend mit

Errichtung der Leitzlager auf der Lahninsel

Bild vom Aufbau der Barackenlager der Fa. Leitz auf der Lahninsel (Areal des heutigen Stadions). Bild: IG Metall-Ausstellung von 1986

Prägend für das Stadtbild in Wetzlar wurden ab 1940 die Zwangsarbeiterlager. Die aufgestellten Holzbaracken entsprachen in der Regel zumeist den auch in den Konzentrationslagern aufgestellten Behausungen.

Für die Bewachung war der Werkschutz des jeweiligen Unternehmens verantwortlich. Für ihren Arbeitseinsatz wurden die Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter von bewaffneten Wachmannschaften eskortiert. Gearbeitet wurde in der Regel in 12-Stunden-Schichten.

Die mit Stroh ausgelegten Doppelstockbetten wurden oftmals von zwei Menschen aus unterschiedlichen Schichten nacheinander zum Schlafen belegt.

Eine Privatsphäre gab es für die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter nicht.

Bild oben: Aufbau eines der beiden Leitzlager, die sich auf dem gesamten Gebiet des heutigen Stadions auf der Lahninsel erstreckten.
Quelle: IG Metall-Ausstellung zur Zwangsarbeit (1986)

Behandlung und Bestrafungen sind geprägt von dem Menschenbild der Nazis
Niederländer und Flamen wurden nach der Rasseideologie als »Arier« bewertet. Sie hatten die Möglichkeit zum freien Ausgang und wurden auch bezahlt. Dagegen wurden die Menschen slawischer Herkunft als »Untermenschen« wie der letzte Dreck behandelt. Sie durften die Lager nicht verlassen und erhielten von dem ihnen laut Tarif zustehenden Lohn nichts. Die Polen und Russen waren mit Abstand größten Gruppen unter den Zwangsarbeiter*innen. Sie leiden Hunger, erhalten keine Arbeitskleidung, haben in den Lagern keine Privatsphäre.

Zwangsarbeit Kennzeichnung für Russen (Ostarbeiter)       Zwangsarbeit Kennzeichnung für Polen

Diese Abzeichen (nach DIN genormt) mussten die Menschen slawischer Herkunft tragen. Links »O« für »Ostarbeiter« mussten die Menschen aus der Sowjetunion tragen. Rechts: Das »P« für Polen.

Strenge Überwachung durch Betriebsanleitung und Werkspolizei und harte Bestrafung bei so genannten Arbeitsvergehen kennzeichneten in den meisten Lagern den Alltag und Betrieben, je länger der prophezeite Sieg auf sich warten ließ, um so mehr Opfer wurden erzwungen und umso mehr Menschen wurden Opfer von Unterdrückung, Terror und schrankenloser Ausbeutung.

Eine Ausnahme bildete temporär die Firma Leitz:
Ernst-Leitz II beauftragte seine Tochter mit der Leitung der beiden großen Zwangsarbeiterlager seiner Firma. 1942 wurde Elsie Kühn-Leitz von der Gestapo verhaftet und in das Gefängnis Klapperfeldstraße nach Frankfurt überführt. Bei den der Verhaftung vorgelagerten Verhören im Aldefeld‘schen Haus wurde ihr – neben der Fluchthilfe für eine Jüdin – der »humanistische Umgang mit den Lagerinsassen« vorgeworfen. Zur gleichen Zeit – so berichtet Tomasz Kiryllow aus Belorußland, der bei der Fa. Pfeiffer Zwangsarbeit leisten musste – dass er bei einem illegalen Besuch im Leitzlager – die »gute Suppe« in diesem Lager genossen hat.

Kühn-Leitz wurde über ein Jahr im Gefängnis Klapperfeldstraße gefangen gehalten. Die Industriellenfamilie konnte ihre Tochter »freikaufen«, sie durfte aber – so die behördlichen Auflagen – nicht mehr die Verantwortung für die Lager übernehmen.

Arrestzellen in Betrieben:
Im Jahre 1942 erging vom Rüstungskommando Gießen eine Anordnung an die Betriebe, Arrestzellen einzurichten. In diesen Zellen warteten fortan verhaftete deutsche Arbeiter auf ihren Abtransport durch die Gestapo. Häufiger allerdings dienten Zellen zur Bestrafung der ausländischen Zwangsarbeiter.

»Arbeitsbummelei« wurde immer strenger bestraft. »Wirkliche Arbeitsbummelanten müssen vom Arbeitsplatz weg verhaftet werden um damit ein abschreckendes Beispiel zu statuieren« (Schreiben der Rüstungsinspektion XII an die Betriebe).

Im Jahre 1942 erging vom Rüstungskommando Gießen eine Anordnung an die Betriebe, Arrestzellen einzurichten. In diesen Zellen warteten fortan verhaftete deutsche Arbeiter auf ihren Abtransport durch die Gestapo. Häufiger allerdings dienten Zellen zur Bestrafung der ausländischen Zwangsarbeiter.

Die innerbetrieblichen Strafen gingen von Verwarnungen für »einmalige Unpünktlichkeit« bis zu Geldbußen in Höhe eines Wochenverdienstes für »Widersetzungen«. Bei den Ostarbeiten zusätzlich erlaubt waren:

Ordnungsverfügungen

  • Zuteilung zum Straftrupp
  • Essensentzug
  • Arrest bis zu drei Tagen

Daneben kam es fast täglich zu Misshandlungen durch Polizei und Betriebsleitungen.

ZITAT:»Einige Tage später wurde ich in die Fabrikdirektion gerufen der Direktor begrüßt mich knurrend:»Was hast du da wieder angestellt? Sprich!«
Ich hatte keine Ahnung, worum es geht. »Ich habe nichts Schlechtes getan, erklärte ich.»Du befasst dich mit Schwarzhandel!« brüllte er, mit der Faust auf den Tisch schlagend »Vielleicht sind das eure lausigen politischen Kontakte? Du Schwein!«
»Ich habe keinerlei Kontakte.«»Und wer hat Vasil einen Pullover versprochen? Bei wem wolltest du ihn einkaufen?«
Es hagelte ordinäre Schimpfwörter.
Der Direktor sprang auf mich zu und versetzte mir mit Übung einen kräftigen Schlag auf die Nase. Ich schwanke und bekam neue Schläger auf das Kinn und den linken Kiefer. Ich fiel zu Boden. Blut strömte aus der aufgeschlagenen Nase.»Du Schweinehund! Du wirst für alles bezahlen«, ereiferte er sich. »Bis zum Kriegsende wirst du zahlen. Es sei denn, du verreckst.«

Quelle: Auszug aus dem Buch »Und Ihr werdet doch verlieren!« von Tomasz Kiryllow.

Schreiben des Rüstungskommandos Gießen

Gießen, den 26.5.1943

Az.: 65f18 (Ky/Fr.UAbtl.IcBr.B.Nr. 987/43 –o–
Bez.: OKW W Stb.(Inl) 4 Abtl. I d Nr. 5429 v. 22.4.1943

Betr.: Werkschutz
Rundschreiben Nummer 67/43

An alle W.-Betriebe Wehrmacht und Wirtschaft mit Hilfswerksschutz und Werkschutz, einschließlich Landwirtschaftsbetriebe

Gemäß der o.a. Anordnung des OKW ist nachstehendes seitens des R.d.I an. Ob.d.L. an die Luftwaffenindustrie gegenüber Wehrwirtschaftsbetriebe auszudehnen. Sie enthält Auszüge aus den schon bestehenden Richtlinien für Werkschutz die bei der heutigen Überfremdung der Betriebe erhöhte Bedeutung haben.

Der immer stärker werdende Einsatz von ausländischen Zivilarbeitern und Kriegsgefangenen in der Luftwaffen-Industrie erfordert zwingend, der Sicherung der Betriebe höchste Aufmerksamkeit zuzuwenden.

Es mehren sich in letzter Zeit Fälle von Widersetzungen, die sogar wiederholt in Tätigkeiten ausarteten. Dagegen muss sofort schärfsten eingeschritten werden.

Der hauptamtliche und ehrenamtliche Werkschutz haben die Pflicht, mit allen Mitteln Ruhe und Ordnung in den Betrieben sicherzustellen. Disziplin Widrigkeiten gleich welcher Art sind sofort den Werkschutzleiter zu melden und von ihm mit allen zu Gebote stehenden Mitteln schärfstens zu unterdrücken. Verstöße, die innerhalb des Betriebes nicht geahndet werden können, sind umgehend der Abwehrstelle und der Gestapo zu melden (Durchschlag der Meldung an RLM GL/A-W Wi 3) über Gruppe Luftwaffe des zuständigen Rüstungskommandos.

Es ist Sorge zu tragen, dass Bestrafungen umgehend erfolgen und im Betrieb bekannt gemacht werden. In schweren Fällen sind widersetzliche Arbeitskräfte unverzüglich – gegebenenfalls vom Arbeitsplatz weg – festzunehmen und bis zur Übernahme durch die Gestapo in Gewahrsam zu halten. Auf besonders harte Bestrafung der Rädelsführer ist hinzu wirken.

Gegen deutsche Gefolgschaftsmitglieder, die mit ausländischen Unruhestifter sympathisieren, ist einzuschreiten und das Eingreifen der genannten Dienststellen umgehend zu veranlassen.

In Spannungszeiten dürfen Vorgesetzte und deutsche Aufsichtspersonen keinesfalls Zeichen von Schwäche oder falscher Rücksichtnahme zeigen. Unterlassungen nach dieser Richtung können unübersehbare Folgen nach sich ziehen.

Ferner ist dafür Sorge zu tragen, dass eine ausreichende Zahl besonders zuverlässiger Werkschutz Leute zu Hilfspolizei Beamten bestellt wird.

Diese Angehörigen des Werkschutzes haben die Armbinde »Hilfspolizei« zu tragen.

Der Betriebsführer hat den Werkschutz entsprechend anzuweisen; er ist für die strikte Durchführung der oben genannten Richtlinien verantwortlich.

Der Rüstungskommandeur Gießen

Gez. Schreiber
Oberstleutnant

F.d.R.

Gießen, den 26.5.1943
(Koldewey)
Hauptmann

Das Strafsystem »Wir fühlen uns allesamt stets wie in einem Gefängnis«
Beispiel: Bestrafungspraxis der Fa. Hensoldt

Nr.

Datum

Name

Grund

Strafen

74 22.02.44 Stoljarowa
(Ostarbeiterin)
lt. Mitteilung der Gestapo wegen Vergehen gegen die Arbeitsdisziplin Moser, 1 Tagesverdienst, Steinbeck z.Z. H.H. abgezeichnet
75 19.02.44 Guillot
(franz. Zivilarbeiterin)
9 Tage unerlaubt d. Arbeitsplatz ferngeblieben Moser, zuschlagfreie Mehrarbeit u. 5,- RM Strafe H.H. und Steinbeck zur Kenntnis
76 18.02.44 Broillard
(franz. Ziv.Arb)
Verstoß gegen Lagerdisziplin 20,- RM Strafe im Wiederholungsfalle Meldung an Gestapo
77 18.02.44 Taubaty
(franz. Ziv.Arb)
wie vor wie vor
78 16.04.44 Paraway,
Arutjan
(Ostarbeiterinnen)
ohne Erlaubnis Lager verlassen u. sich in’s Franzosenlager begeben H.H. Von uns mit 3 Tagen Arrest u. Entzug der warmen Mahlzeit bestraft. Meldung an Gestapo
84 25.01.44 Koljasa,
Aksjonowa
(Ostarbeiterinnen)
Meldung v. 24.1.44 Arrest bis Mo. früh, Gestapo gemeldet
85 24.01.44 wie vor wie vor Adam, nach Anordnung Steinbecks eingesperrt
86 15.01.44 Tretjakowa, Tinheikina (Ostarbeiterinnen) Lager unbefugt verlassen Moser, 8 Wochen Ausgangssperre, 2 Sonntage Schw. Arbeit
86 15.01.44 Russin Nr. 346 versucht Spiritus zu stehlen wie vor
90 06.11.43 Kuschpiz (Ostarbeiterinnen) Lager widerrechtlich verlassen Moser, wie vor
104 10.11.43 Kundobina, Korenjewa (Ostarbeiterinnen) wie vor wie vor
106 10.11.43 Poschilowa (Ostarbeiterin) wie vor wie vor
110 19.10.43 Debross
(franz. Ziv.Arb)
Über den Lagerzaun gestiegen Auf Anordnung d. HH m.20 Hieben bestraft
52 20.04.44 Marchal,
(franz. Zivilarbeiter)
Streit mit Kameraden, Störung des Arbeitsfriedens H.H. 5,– RM Strafe, im Wiederholungsfall schärfste Mittel Steinbeck z.K.
53 20.04.44 Poincelot
(franz. Zivilarbeiter)
wie vor wie vor
54 20.04.44 Beaud
(franz. Zivilarbeiter)
Baracke ohne Genehmigung verlassen H.H. 10,- RM Strafe, im Wiederholungsfall schärfste Mittel Steinbeck z.K.
55 20.04.44 Gazoni
(franz. Zivilarbeiter)
wie vor H.H. wie vor
56 20.04.44 Duchesne
(franz. Zivilarbeiter)
unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben H.H. Wochenverdienststrafe, wenn noch einmal Verstoß gegen Arbeitsdisziplin Meldung an Gestapo
57 23.03.44 Bastien
(franz. Zivilarbeiter)
wie vor HH. wie vor
58 23.03.44 Gazoni
(franz. Zivilarbeiter)
wie vor H.H. wie vor
65 22.02.44 Mischkur,
(Ostarbeiterin)
Diebstahl von Spiritus Moser, 3 Tage Arrest bei Wasser und Brot und 4 Wochen Ausgehverbot. Steinbeck z.K.
67 25.02.44 Kruisjuk, Besnnosjuk (Ostarbeiterin) Aufgrund einer Meldung Moser, je 4 Wochen Ausgehverbot. Steinbeck z.K.
68 25.02.44 Konjawew, sowie 2 weitere Ostarbeiterinnen Aufgrund einer Meldung Moser, Ausgehverbot v. 8 Wochen, 16-stündige Arbeitszeit bis 3 Tage aufgehoben. Die beiden Ostarbeiterinnen nach Rücksprache mit H.H. abgezeichnet 23.2.44.,  Steinbeck z.K.
69 25.02.44 Pschorilsow,
Katelnikow
(Ostarbeiter)
Wegen Verabreichung von Brot u. Wasser an in Arrest mitsitzende Ostarbeiter Moser, 4 Wochen Ausgehverbot. Steinbeck z.K. H.H. abgezeichnet.
1 05.03.45 Moakewitschuk,
Drabatz
(Ostarbeiterinnen)
ab 4.3.45 nicht mehr im Lager erschienen Adam, zur Kenntnis an Steinbeck und Moser
4 22.01.44 Olivieno,
Balanger,
Dombardi
(franz. Zivilarbeiter)
seit einigen Tagen nicht mehr zur Arbeit erschienen Adam
5 23.01.45 Fishetin
(franz. Zivilarbeiter)
einige Tage beurlaubt, dann nicht mehr zur Arbeit erschienen Adam, scharfe Bestrafung gefordert
6 15.01.45 Kuljkina
(Ostarbeiterin)
Arbeitsplatz in Waldgirmes nicht aufgetaucht Adam
61 17.03.44 Lab
(franz. Zivilarbeiter)
angeblich selbst hervorgerufene Krankheitserscheinung H.H, Steinbeck zur Kenntnis
62 17.03.44 De Brosse
(franz. Zivilarbeiter)
wie vor H.H erbittet Ergreifung schärfster Maßnahmen
259 10.08.42 Ziff. 6 Bekanntmachung an Ostarbeiterinnen bei Disziplinlosigkeit und schlechtem Verhalten Moser, Arrest, Entzug der warmen Verpflegung und Meldung an Gestapo gedroht
262 06.08.42 Aktennotiz (vertraulich) Die Anweisungen der Gestapo wurden den  Teilnehmern durch Dr. Steinbeck bekanntgegeben (Unterschrift Moser)
265 05.08.42 Reijuk, Pawljuk (Sotarbeiterinnen) aus Lager entwichen Dr. Steinbeck gezeichnet
Betreffend Ausländer
284 Die Strafgewalt wird vom politischen Abwehrbeauftragten ausgeübt
295 22.05.42 Für je 100 Mann muss eine Strafzelle vorhanden sein. Durch H. Hensoldt bekannt gegeben.

Die Tafelstifter:

Förderkreis Hessenkolleg

Warum unser Förderkreis und das Hessenkolleg die Gedenktafel zu Ereignissen der NS-Zeit in Wetzlar unterstützen Statement von Attila Bostançi Das Hessenkolleg Wetzlar hat sich als Bestandteil des zweiten Bildungsweges gegründet, um berufstätigen Menschen eine höhere Schulbildung und damit den Zugang zu den Universitäten zu ermöglichen. Wir fühlen uns damit tief verbunden mit dem Gefühl der Solidarität und der Chancengleichheit, einem Gefühl, das uns die moralische Pflicht auferlegt, an die Verbrechen der Nazis zu erinnern [...]

Von |22.11.2019|Kategorien: Förderkreis Hessenkolleg, Gedenktafelstifter, Sponsoren|Schlagwörter: , , , |Kommentare deaktiviert für Förderkreis Hessenkolleg

Pfeiffer Vacuum GmbH

Warum wir die Gedenktafel zu Ereignissen der NS-Zeit in Wetzlar unterstützen Statement von Daniel Sälzer Wenn wir versuchen, uns in die damalige Zeit hineinzuversetzen, dann denken wir vor allem an unvorstellbares Leid und extreme Grausamkeit. Es war eine Zeit, in der die Trennung von »lebenswert« und »nicht lebenswert« zum Alltag gehörte. Menschen wurden nur aufgrund ihrer Herkunft, Rasse oder Glaubenszugehörigkeit als minderwertig angesehen, ausgenutzt, misshandelt und in vielen Fällen einfach umgebracht. Wir alle wollen [...]

Von |22.11.2019|Kategorien: Gedenktafelstifter, Pfeiffer Vacuum, Sponsoren|Schlagwörter: , , , |Kommentare deaktiviert für Pfeiffer Vacuum GmbH

Magistrat der Stadt Wetzlar

Warum wir die Gedenktafel zu Ereignissen der NS-Zeit in Wetzlar unterstützen Ein Statement von Oberbürgermeister Manfred Wagner »Zukunft braucht Erinnerung« Dieses Wort will ich meinem Statement voranstellen und gerne beschreiben, warum es der Stadt Wetzlar wichtig ist, das vom dem Verein WETZLAR ERINNERT e.V. angestoßene Projekt »Gedenktafeln zu Ereignissen der NS-Zeit« zu unterstützen. In unseren Tagen erleben wir leider immer wieder, dass der Geist derer, die uns die dunkelsten Stunden in der Geschichte unseres [...]

Von |02.05.2018|Kategorien: Gedenktafelstifter, Sponsoren, Stadt Wetzlar|Schlagwörter: , , , |Kommentare deaktiviert für Magistrat der Stadt Wetzlar

WETZLAR ERINNERT e.V.

Gruppenbild oben v.l.n.r.: Natalija Köppl (stellv. Vorsitzende), Stefan Lerach (Beisitzer), Andrea Grimmer (Schatzmeisterin), Arne Beppler (Beisitzer), Irmtrude Richter (Schriftführerin) und Ernst Richter (Vorsitzender) Warum haben wir das Projekt Gedenktafeln zu Ereignissen der NS-Zeit initiiert? Ein gemeinsames Statement unseres Vorstandes In der Satzung von WETZLAR ERINNERT e.V. steht: »Damit sich deutscher Faschismus nicht wiederholt, ist es erforderlich, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und Wege zu eröffnen, die auch denen Zugang ermöglichen, die diese Zeit nicht [...]

Von |02.05.2018|Kategorien: Gedenktafelstifter, Wetzlar erinnert|Schlagwörter: , , , |Kommentare deaktiviert für WETZLAR ERINNERT e.V.

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