Weg der Erinnerung
Unsere Leitfragen

Der Deutsche Faschismus begann nicht erst 1933. Ideologische, politische und soziale Bedingungen für die Machtübertragung an die NSDAP wurden bereits lange vorher geschaffen.

Während des »Dritten Reiches« fielen über 40 Millionen Menschen dem Vernichtungswahn der Nazis und Weltherrschaftsplänen der deutschen »Eliten« zum Opfer: in Lagern oder bei rassistischen Menschenversuchen zu Tode gefoltert, auf offener Straße vom antisemitischen Mob erschlagen oder durch die Truppen der faschistischen Wehrmacht und der Waffen-SS in einem beispiellosen Angriffskrieg (der in Osteuropa ein Vernichtungskrieg war) ermordet. Auch aus dem idyllischen Wetzlar an der Lahn wurde eine Stadt der Täter und der Opfer.

1925 hatte die Stadt Wetzlar 16.482 Einwohner/-innen, davon 13.518 evangelische, 2.500 katholische, 13 sonstige Christen und 148 Juden. 1933 lebten in Wetzlar noch 132 Juden, 1938 noch 64. 1942 und 1943 wurden die letzten 34 noch hier lebenden Juden deportiert. 1933 hat nur eine Minderheit der Deutschen die faschistische Terrorherrschaft der Nazis erahnt, noch weniger Menschen die Folgen der faschistischen Ideologie vorhergesehen. Wie konnte es geschehen, dass

  • die Eliten aus Wirtschaft, Militär, Politik und Medien am Ende der Weimarer Republik der NSDAP und Adolf Hitler den Weg in die wichtigsten Staatsämter öffneten?
  • und gleichzeitig so viele Menschen dem faschistischen Führer folgten und von den faschistischen Ideologien so beseelt waren?
  • die Gleichschaltung des Staatsapparates und aller gesellschaftlichen Bereiche nach der Machtübergabe an die Nazis so schnell und reibungslos funktionierte?

Auf diese und andere Fragen versuchen wir mit dem Weg der Erinnerung Antworten zu geben. Diese Zeitreise zu 15 Stationen mit Ereignissen der NS-Zeit in Wetzlar führt uns zu den damaligen Tätern und Opfern. Sie ist durch den vorgeschalteten Einführungsvortrag eingebettet in die Deutsche Geschichte. Denn es geht uns nicht nur darum, spannende Geschichten zu erzählen, sondern um die Vermittlung von Geschichte.

Wir sehen eine Herausforderung: Die Zeitzeugen*innen von damals sterben altersbedingt aus.

  • Doch wie können wir künftig die NS-Verbrechen und -Völkermord den künftigen Generationen vermitteln und dabei demokratiestärkend das Bewusstsein vermitteln, wachsam zu sein. Dafür zu sorgen, dass sich derartiges niemals mehr wiederholen kann?
  • Wie können wir das eigentlich Unvorstellbare so vermitteln, dass sich Menschen heute und künftig ein Bild von der dunkelsten Epoche der deutschen Geschichte machen, Empathie für die Opfer und Verachtung für die Täter entwickeln können?

Die heutigen Dokumentations- Bildungs- und Gedenkstätten an den Orten der NS-Konzentrations- und -Vernichtungslager in ganz Europa leisten hierzu wichtige Beiträge. Sie können aber nicht ersetzen, dass zur Entstehung dieser Lager und zur gesellschaftlichen Akzeptanz über deren Dasein eine Vorgeschichte gehört.

Der Faschismus fand nicht nur in Dachau, Buchenwald, Auschwitz, Majdanek, Treblinka … statt, sondern hier und überall. In jeder Wohnsiedlung, jedem Betrieb, jeder Schule und Familie. Der Weg der Erinnerung zeigt auf, wie die Gleichschaltung der deutschen zu einer faschistischen Gesellschaft im Alltag stattfand und eine Befreiung aus der totalitären Gewalt des NS-Staates den Deutschen (und Österreichern) selbst unmöglich wurde. Erich Kästner sagte nach dem Krieg dazu:

Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen.
Später war es zu spät.

Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird.
Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist.

Man muss den rollenden Schneeball zertreten.
Die Lawine hält keiner mehr auf.

In Zeiten, wo Rechtspopulisten das völkische Gedankengut wieder salonfähig machen wollen und rechter Terror gegen Andersdenkende und anders aussehende Menschen immer mehr Opfer mit sich führt, muss die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie durch das Engagement jeder und jedes einzelnen gestärkt werden. Hierfür möchten wir werben und ein Bewusstsein schaffen.