NS-Zwangsarbeit in Wetzlar
Themenabend als Veranstaltungsformat

Im Frühjahr 2020 jährt sich zum 75. Mal das Ende des Zweiten Weltkrieges. Der SPD Ortsverein Hermannstein-Blasbach hatte dies am 25. Oktober 2019 zum Anlass genommen, um die damaligen Ereignisse in und um Wetzlar in Erinnerung zu rufen. Die Vorsitzende Sabrina Zeaiter begrüßte dazu Ernst Richter, Vorsitzender von WETZLAR ERINNERT e.V., als Referenten, der über das Ausmaß der NS-Zwangsarbeit und die Befreiung von rund 10.000 Zwangsarbeiter*innen am 29. März 1945 durch die US-Armee referierte.

Flankierend zu dem rechnergestützten Vortrag von Richter konnte man sechs Thementafeln betrachten, auf denen der Verein WETZLAR ERINNERT e.V. das Ausmaß der NS-Zwangsarbeit und die Etappen deren Aufarbereitung seit Mitte der 1980er Jahre dokumentiert. Diese Dokumentation endet mit dem Plädoyer, 75 Jahre nach der Befreiung dieser 10.000 Zwangsarbeiter sich darüber bewusst zu werden, dass die NS-Zwangsarbeit ein Kapitel der Industriegeschichte Wetzlars geworden ist. Ergänzend zu den Thementafeln gibt es zwei Monitore, auf denen Filme von der Befreiung am 27. März 1945 und Aufnahmen der größten Zwangsarbeiterlager in Wetzlar zu sehen sind.

Veranstaltungsformat als Angebot für Vereine, Gruppen, Institutionen:
Der eigens für diese Veranstaltung erarbeitete Projektionsvortrag bietet sich als Veranstaltungsformat für weitere Themenabende an. WETZLAR ERINNERT e.V. bietet deshalb anderen Gruppen, Organisationen und Instutionen an, diesen Themenabend erneut durchzuführen. Voraussetzung hierfür sind:

  • ein abdunkelbarer Raum
  • eine große Leinwand bzw. weiße Wand als Projektionsfläche
  • rund sechs Meter, auf der die sechs Roll-Ups (die Thementafeln) der Ausstellung in einer Reihe bzw. einem Halbkkeis aufgestellt werden können,
  • einen Stromanschluss für die zwei Monitore,
  • ein runder Bistrotisch als Standfläche der beiden Monitore

Anfragen für die Buchung des Themenabends bitte stellen an:

WETZLAR ERINNERT e.V.
Ernst Richter
Vorsitzender
Helgebachstraße 32 | D 35578 Wetzlar
Tel.: 06441 – 92 18 40 oder Per Mail

Der nachfolgende Bericht von Klaus Petri für die Wetzlarer Neue Zeitung und die Bilder sollen Ihnen helfen, sich das Angebot besser vorstellen zu können.

Nicht alle kehrten heim
Vortrag zur Zwangsarbeit in Wetzlar während des Zweiten Weltkriegs

Von Klaus Petri

WETZLAR. Im Frühjahr 2020 jährt sich zum 75. Mal das Ende des Zweiten Weltkrieges. Der SPD Ortsverein Hermannstein- Blasbach hat dies zum Anlass genommen, um die damaligen Ereignisse in und um Wetzlar in Erinnerung zu rufen. Vorsitzende Sabrina Zeaiter begrüßte dazu Ernst Richter, Vorsitzender von Wetzlar erinnert, als Referenten.

Ende März 1945 rückten US-Truppen auf Wetzlar vor. Kameramänner des US-Militärs hatten am 29. März einzelne Szenen der von vielen Deutschen als Niederlage erlebten Befreiung von Krieg und Nazi-Herrschaft auf Zelluloid gebannt: Über die Hermannsteiner Straße preschten Panzer vor, deutsche Fahnenjunker ließen sich gefangen nehmen, auf der Bahnhofsbrücke hielten drei Zivilisten einen mit weißer Unterwäsche drapierten Stecken hoch, Zwangsarbeiter jubelten und zerschlugen ein Hitler-Porträt. Vom Dach des Hotels »Erholung« in Bahnhofsnähe aus beschossen US-Soldaten die Altstadt.

Während des Krieges waren in Wetzlar 9575 Ausländer untergebracht (darunter 1710 Frauen und 92 Kinder), 5101 davon in mehreren Barackenlagern. Die Mehrzahl arbeitete in der Rüstungsfabrikation. So wurden beispielsweise bei Buderus Granathülsen gedreht, die in Stadtallendorf dann von KZ-Gefangenen mit Phosphor befüllt wurden.

Ausstellung der IG-Metall wird überarbeitet

Reichsweit leisteten geschätzt 12 Millionen aus ganz Europa nach Deutschland verschleppte Menschen Zwangsarbeit. Die Betriebe hatten Unterkunft und Verpflegung zu stellen und mit einem Firmen-Werkschutz für die Bewachung der Arbeitssklaven zu sorgen. Nach ihrer Befreiung kehrten nicht alle Zwangsarbeiter in ihre Heimatländer zurück. In der Sowjetunion galten die Zwangsdeportierten als Kollaborateure, die den Feind bei der Kriegführung unterstützt hatten. Zusammen mit überlebenden Juden wurden mehrere Tausend ehemalige Zwangsarbeiter in der späteren Sixt-von-Arnim-Kaserne im Wetzlarer Westend bis 1952 als »Displaced Persons« untergebracht.

Ernst Richter bezeichnete die 29 Tafeln umfassende und am 1. September 1986 im Stadthaus am Dom eröffnete Ausstellung über »Zwangsarbeit in Wetzlar« als deutschlandweite Pionierleistung. Im Auftrag der IG Metall-Verwaltungsstelle Wetzlar hatten damals Karin Bernhardt, Reinhard Jahn und der Marburger Historiker Dr. Witich Roßmann vier Monate im Stadtarchiv und in den Unterlagen der beteiligten Firmen geforscht. Neben der Ausstellung gab es auch Buchveröffentlichungen zur Industriegeschichte im heimischen Raum.

Bei den Recherchen stieß man auch auf die Geschichte des jungen Polen Tomasz Kiryllow, der in der Firma Pfeiffer Apparatebau Sabotageakte verübt hatte und ins KZ Buchenwald überstellt wurde. Er überlebte Krieg und Gefangenschaft, schrieb eine Autobiografie und besuchte im April 1987 erneut Wetzlar – diesmal als gefragter Zeitzeuge und aktiver Kämpfer gegen Krieg und Faschismus. Kiryllow war 1944 aus dem KZ-Außenlager »Atlantik-Wall« geflohen und hatte sich der »Résistance« angeschlossen.

Ernst Richter erläuterte, dass eine »Runderneuerung« der 33 Jahre alten Ausstellung stattfindet. Sie soll dann künftig einen festen Platz in der heimischen Museumslandschaft finden.