Banner Ausstellung »Nichts war vergeblich«

Ausstellung vom 05.01. – 04.02.2019
im Foyer des Neuen Rathaus Wetzlar

Themenabend zur Ausstellungseröffnung am 04.01.2019
im Foyer des neuen Rathauses

Die Ausstellung »Nichts war vergeblich« würdigt den Mut von Frauen, die sich gegen den Terror des NS-Systems stellten. 18 Biographien stellen dar, auf welch vielfältige Weise die Frauen dem Regime die Gefolgschaft verweigerten. Sie verfassten und verteilten Flugblätter, sie boten Verfolgten Unterschlupf, sie klärten im Ausland über das Unrecht in Deutschland auf. Immer folgten sie ihrem Gewissen – und setzten damit ihr Leben aufs Spiel. Der Anteil dieser Frauen im Kampf gegen den NS-Staat ist in der Öffentlichkeit noch immer wenig bekannt.

Eine Vertiefungsstation widmet sich darüber hinaus dem Thema »Kommunikation im Widerstand« und stellt u.a. dar, wie Flugblätter und illegale Schriften im Widerstand produziert und verbreitet wurden. Es ist auch möglich Gegenstände und Handarbeiten zu zeigen, die von widerständigen Frauen während ihrer Inhaftierung gefertigt wurden. Die Ausstellung wurde vom »Studienkreis Deutscher Widerstand« konzipiert und porträtiert auf Tafeln 18 Frauen, die dem Nationalsozialismus die Gefolgschaft verweigerten.

Die Idee hierzu hatte die ehemalige Stadtarchivarin Irene Jung anlässlich der Vorbereitung eines Frauenkommitees, das einen ganzen Strauß unterschiedlicher Veranstaltungen und Aktionen zum 100. Jahrestages der Einführung des Frauenwahlrechtes in Deutschland für 2018–2019 vorbereitete. Es ging Ihr darum, nicht nur den Erfolg demokratischer Errungenschaften nach der Novemberrevolution gut zu heißen, sondern auch den Widerstand konservativer, völkischer und reaktionärer Kräfte gegen Emanzipation und Partizipation zu thematisieren, der in der Durchsetzung des NS-Staates seinen Höhepunkt fand.

WERTZLAR ERINNERT griff Irene Jungs Vorschlag auf und holte die Ausstellung vom 5. Januar bis 4. Februar nach Wetzlar. Dankenswerterweise stellte die Stadt Wetzlar das Foyer des Neuen Rathauses als Ausstellungsfläche zur Verfügung. Der Buchladen an der Alten Lahnbrücke bot sich an, die Begleitbroschüre zur Ausstellung während ihrer Zeit in Wetzlar zu vertreiben. Das Historisches Archiv der Stadt Wetzlar bot für Schulklassen Führungen durch die Ausstellung an.

Zu danken haben wir außerdem der Stiftung »DEMOKRATIE & BILDUNG«, die den Großteil der Kosten für das Ausstellungsprojekt übernahm.

Der Ausstellung vorgelagert war ein Themenabend, der Vertreter*innen der Stadtgesellschaft die Möglichkeit gab, sich die Ausstellung anzuschauen. Einen Bericht und Bilder von diesem Abend können Sie in dem nachfolgendem Aufklappmenü öffnen:

Ausstellungseröffnung war am

Montag, 14. Januar 2019, 18.00 Uhr

im Neuen Rathaus
Ernst-Leitz-Straße 30 | 35578 Wetzlar
Galerie im 1. Obergeschoss

Programm:

  • es begrüßte:
    Ernst Richter
    Wetzlar erinnert e.V.
  • Es sprachen:
    Manfred Wagner
    Oberbürgermeister
  • Gudrun Schmidt
    vom geschäftsführenden Vorstand des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933–1945
    (eine Einführung in die Ausstellung)
  • Dr. Irene Jung
    Leiterin des historischen Archivs der Stadt Wetzlar

Danach gab es einen Umtrunk und die Möglichkeit, sich die Ausstellung zu betrachten.

Klaus Petri veröffentlichte in der WNZ den nachfolgenden Bericht hierüber.

»Stillhalten ermutigt die Peiniger«
Ausstellung im Neuen Rathaus zeigt Kurzbiografien von Frauen, die Widerstand gegen das NS-Regime leisteten

Von Klaus Petri
Die verstörenden Bilder von Frauen, die dem im offenen Auto vorbeifahrenden »Führer« mit Freudentränen und schmachtenden Blicken begegnen, sind allseits bekannt. Die meisten Frauen im »Dritten Reich« dürften unpolitisch gewesen sein. Eine dritte Kategorie sind »widerständige Frauen«, die den Machthabern auf unterschiedliche Weise die Stirn boten und deren persönliche Lebensentwürfe nicht zu »Mutterglück allein« und »Heimchen am Herd« passten.

18 derartige Kurzbiografien werden vom 15. Januar bis 4. Februar im Neuen Rathaus im Rahmen der Ausstellung »Nichts war vergeblich – Frauen im Widerstand gegen den NS« vorgestellt. Oberbürgermeister Wagner (SPD) sprach in seinem Grußwort zur Ausstellungseröffnung von »Verneigung vor denen, die damals für ein besseres Deutschland eingetreten sind« und zitierte den 2016 verstorbenen Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel: »Man muss Partei ergreifen. Neutralität hilft den Unterdrückern. Stillhalten ermutigt die Peiniger«.

Das Einführungsreferat hielt Ausstellungsmacherin Gudrun Schmidt, die 1969 am Wetzlarer Hessenkolleg ihr Abitur abgelegt hat und in Frankfurt für den 1967 gegründeten »Studienkreis Deutscher Widerstand 1933–1945« tätig ist. »Wir schätzen den Anteil von Frauen am Widerstand gegen die Nazis auf etwa 20 Prozent. Viele davon gehörten Organisationen der sozialistischen Arbeiterbewegung an, andere handelten aus christlicher Motivation heraus oder folgten schlicht Geboten der Menschlichkeit«, verdeutlichte die Referentin.

Ein prominentes Beispiel ist Erika Mann, Tochter des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann, der 1933 mit seiner Familie ins Exil ging. Die aus Hanau stammende Lehrerin Dr. Elisabeth Schmitz hatte 1935 vergeblich versucht, die Evangelische Kirche mit einer Denkschrift »Zur Lage der deutschen Nichtarier« zum Handeln zu bewegen.

Die 1925 in Ulfa (Wetterau) geborene Anna Mettbach musste ihre Jugendjahre im »Zigeunerlager Auschwitz« und im Frauen-KZ Ravensbrück verbringen, überlebte den Rassenwahn ihrer Peiniger und vergrub Jahrzehnte lang ihre Traumata. Unter dem Eindruck brennender Asylbewerberheime in den 90er Jahren machte sie ihre Lebensgeschichte öffentlich. Sie verstarb 2015 in Gießen.

Demokratische Rechte und Freiheiten sind keine Selbstverständlichkeit.
Sie müssen auf breiter Front gesichert und verteidigt werden.
(Ernst Richter)

In der badischen Kleinstadt Calw hatte die 17-jährige Erna Brehme 1941 ein Liebesverhältnis zu einem jungen Polen. Unter dem Gejohle eines missgünstigen Mobs wurden ihr öffentlich die Haare geschoren.

Die gebürtige Berlinerin Lisa Fittko führte Asyl suchende Nazi-Gegner wie den Schriftsteller Walter Benjamin über die Pyrenäen nach Spanien.

Die gelernte Verkäuferin und Jungkommunistin Carola Karg ging mit 23 Jahren in den Untergrund, schlief auf Parkbänken und in Kirchen. Als ein Kurierkoffer bei einer Zugkontrolle auffiel, geriet sie in die Fänge der Gestapo, überstand 19 Monate Untersuchungshaft, 153 Verhöre und wurde wegen »Hochverrat« zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. In der Haft verfasste sie Gedichte und fertigte einen bunten Schmetterling, der zum symbolischen Blickfang der ganzen Ausstellung geworden ist.

Die Ausstellung nach Wetzlar geholt haben geschichtspolitisch engagierte Frauen um Stadtarchivarin Dr. Irene Jung und das Ehepaar Ernst und Irmi Richter (Verein »Wetzlar er-innert e.V.« und Bündnis »Bunt statt Braun«). Ernst Richter sprach von einem dringend gebotenen Beitrag, um dem wieder aufflammenden völkischen Denken geschichtliche Erfahrung entgegenzustellen: »Demokratische Rechte und Freiheiten sind keine Selbstverständlichkeit. Sie müssen auf breiter Front gesichert und verteidigt werden.«

Dafür, dass es auch in Wetzlar couragierte, humanistisch gesinnte Frauen gab, gab Irene Jung drei Beispiele: »Sie kommen aus unterschiedlichen sozialen Milieus, haben verschiedene weltanschauliche Prägungen. Aber alle drei haben sich während der Naziherrschaft ein Gefühl für Mitmenschen in Not und für Gerechtigkeit bewahrt.«

Nach der 1892 als Tochter eines Maurers geborenen Lina Muders ist der vom SPD-Stadtverband Wetzlar verliehene Preis für Zivilcourage und bürgerliches Engagement benannt. Sie hatte sich für die Arbeiterwohlfahrt engagiert und geriet wegen Kurierdiensten und Zugehörigkeit zur Sozialistischen Arbeiterjugend in die Fänge der Nazis.

»Nach dem Krieg musste sie regelrecht betteln, um eine kleine Entschädigung als Verfolgte des Naziregimes zu erhalten«, kommentierte Irene Jung bitter. Die 1921 aus Offenbach nach Wetzlar verzogene Sozialdemokratin Johanna Knothe erzielte im Frühjahr 1933 noch ein kommunalpolitisches Mandat, musste aber gleich darauf untertauchen. In Untersuchungshaft wurde sie misshandelt. Sie sollte den Aufenthaltsort ihres Mannes Willy Knothe verraten.

Die promovierte Juristin und Wetzlarer Ehrenbürgerin Dr. Elsie Kühn-Leitz war an Fluchtplänen für die Jüdin Hedwig Palm beteiligt, wurde im September 1943 verhaftet und verbrachte mehrere Wochen Haft im Untersuchungsgefängnis Klapperfeld (Frankfurt/M.). Weil ihr vermögender Vater, der Fabrikant Ernst Leitz II, »Tausende und Tausende Bestechungsgelder« für die Gestapo-Schergen aufbrachte, ging es für sie relativ glimpflich aus.

»Die Umstände der Freilassung von Elsie Kühn-Leitz werfen einen Blick auf die Wesensart der Gegner jener Frauen, die Gegenstand dieser Ausstellung sind«, kommentierte Dr. Jung abschließend.