Plädoyer für die Verlegung eines neuen Stolpersteins
für den Mann, den die Nazis in Wetzlar im März 1945 erhängten

Wer kennt sie nicht, die Stolpersteine. Eine Erfindung des Kölner Künstlers Gunter Demnig, der seit 1992 in Deutschland, aber auch in 29 weiteren europäischen Ländern die pflastersteinartigen kleinen Erinnerungen – die zusammen ein KunstDenkmal gegen das Vergessen darstellen – vor den Wohnsitzen von Nazis verfolgten, vertriebenen und ermordeten Menschen in die Gehwege einlässt. Im Mai 2023 wurde der 100.000. Stein in Nürnberg für den Sozialisten Johann Wild gesetzt. Und für jeden dieser Steine gibt es Partner und Stifter, die die Patenschaft für die Herstellungs- und Verlegekosten übernommen haben. Wir wollen einen neuen in Wetzlar.

In Wetzlar wurden im Oktober 2009 neun und September 2015 zusammen 25 Stolpersteine verlegt. Die meisten für Jüdinnen und Juden, die die Nazis in den Vernichtungslagern im Osten ermordet haben, einen für Elisabeth Debus aus Büblingshausen, die als Euthanasie-Opfer in der »Heil- und Pflegeanstalt Hadamar« getötet wurde. Jeder dieser Menschen hat diese Ehrung verdient. Aber politisch Verfolgte und Vertreter*innen anderer Opfergruppen wurden in Wetzlar bisher noch nicht berücksichtigt.

Jakob Sauer und seine Frau haben keine Nachfahren. Es gibt über ihn zwar die Erzählungen von seiner Hinrichtung am Vortag der Befreiung Wetzlars durch die US-Armee. Wenige Dokumente, wie die Todesurkunde und die Akten zum Prozess gegen den NSDAP-Kreisleiter Haus aus den Jahren 1947 und 1948 belegen seine Ermordung am 27. März 1945 durch die Nazis. Das war der Anlass, warum wir – gemeinsam mit weiteren Tafelstiftern – die 17. Gedenktafel zu Ereignissen der NS-Zeit dem Schicksal von Jakob Sauer widmeten. Jakob Sauer und seine Frau Berta hatten keine Nachkommen. Von Jakob Sauer gibt es heute noch nicht einmal ein Bild (zumindest keines, welches wir entdecken konnten). Im Talmud – eine der wichtigsten Schriften des Judentums – steht unter anderem geschrieben: »Ein Mensch ist erst dann vergessen, wenn auch sein Name vergessen ist«. Dieses Zitat dient u.a. immer wieder für die Begründung der Stolpersteinverlegung für die Opfer der Shoah, wenn Kritiker diese Form des Gedenkens bezweifeln und darauf verweisen, dass der Stolpersein kein Ersatz für ein Grab sein kann.

Auch für Sauer sollte gelten, das wir seinen Namen in Erinnerung halten. Auch er hat einen Stolperstein verdient. Auf dem Fußweg »Am Geilberg« vor dem Haus Nr. 4 – dem letzten Wohnsitz dieses Mannes, den die Nazis einen Tag vor dem Einmarsch der Amerikaner ermordeten. Wir – WETZLAR ERINNERT e.V. – würden gerne die Patenschaft für einen neuen Stein zu Ehren von Jakob Sauer übernehmen.

Es gibt auch noch weitere Opfer der NS-Zeit in Wetzlar, die einen Stolperstein verdient haben. Und sicherlich auch weitere Menschen und Gruppen, die die Patenschaft für diese Steine übernehmen möchten. Wir sind der Meinung: Die Zeit ist reif für eine dritte Verlegung von Stolpersteinen in Wetzlar. Lasst es uns gemeinsam angehen.