KONZERTLESUNG

Mit
Johanna Arndt Wort und Gesang
Anna v. Rohden Begleitung am Klavier
Nicolas Miquea Gitarre und Gesang

Klassische Texte und Lieder zum Frieden
Revolutionäre Romantik

Geplant zum Antikriegstag – jetzt nachgeholt im Kulturzentrum Franzis

Bericht, Bilder, Videokurzclips, Pressespiegel, Informationen zu den Interpreten und dem Veranstaltungsprogramm können Sie aus dem nachfolgenden Aufklappmenü aufrufen.

»Die Häuser sollen nicht brennen, Bomber sollt man nicht kennen« – mit Texten und Lieder gegen den Krieg veranstaltete der Verein WETZLAR ERINNERT e.V., der GEW und dem DGB zum Antikriegstag eine Konzertlesung im Franzis.

Die Chansonnette Johanna Arndt trug mit Unterstützung von Anna von Rohden (Klavier) Texte von Bertolt Brecht, Friedrich Holländer, Elie Wiesel und Ludwig Askenazi vor. Im zweiten Konzertteil spielte der chilenische Gitarrist Nicolas Miquea eigene Lieder, die er zuvor ins Deutsche übersetzte.

Erinnerung an die historische Verantwortung Deutschlands für den Frieden
Ernst Richter (Vorsitzender des Vereins WETZLAR ERINNERT e.V.) begrüßte – auch im Namen der GEW-Wetzlar und dem DGB-Kreis Lahn-Dill die 49 Gäste der Konzertlesung und verwies darauf, dass die Veranstaltung ursprünglich zum Antikriegstag am 9. September stattfinden sollte. Durch den GdL-Lokführerstreik musste sie verschoben werden, weil das Ensemble nicht von Berlin nach Wetzlar anreisen konnte. Trotz der pandemiebedingten Begrenzung der Teilnehmer*innenzahl sollte nach dem Willen der Organisatoren die Veranstaltung noch vor Weihnachten nachgeholt werden. Denn Kriegsgefahr und Sehnsucht nach Frieden seien, durch die Kriegsgefahr im Osten der Ukraine, beziehungsweise an der Westgrenze Russlands, aktueller denn je. Die Drohungen, Krieg als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mittel betreiben zu wollen, würden immer lauter, so Richter. Im Koalitionsvertrag der Ampel gelte die »strategische Souveränität« als »Sicherheitspfeiler« für die Freiheit Europas, die notfalls mit militärischen Mitteln zu sichern sei. Der Rüstungsanteil am Bruttosozialprodukt sollte auf drei Prozent steigen. Trump könne sich freuen.

Ernst Richter erinnerte an die historische Verantwortung Deutschlands, die aus den Verbrechen des Zweiten Weltkriegs entspringt. Mit zahlreichen Bildern aus der Region und von Wetzlarer Soldaten beschrieb er den Eroberungs- und Vernichtungskrieg des Dritten Reichs gegen die damalige Sowjetunion. Richter sprach auch die in Wetzlar geborene Chansonnette Gisela May an, die in Weimar Dozentin an der Musikhochschule war und Johanna Arndt unterrichtete. Arndt war eine Lieblingsschülerin Mays und wurde ihr eine Wegbegleiterin bis zu deren Tod.
Siehe auch »Unsere Verantwortung für den Frieden«

Texte und Lieder für den Frieden – vorgetragen von Johanna Arndt
Johanna Arndt eröffnete mit dem »Lied vom Kelch« (von Bertolt Brecht und Hans Eisler) den kulturellen Teil des Abends. Das Lied stammt aus dem Bühnenstück »Schwejk im Zweiten Weltkrieg«. Darin fläzen sich die Nazisoldaten in Herrenrasse-Manier im Gasthaus. Die Wirtin mach den alten Stammgästen Mut und Hoffnung für die Zukunft. Danach zitierte Arndt einen Text von Elie Wiesel – einen, der Auschwitz und Buchenwald überlebte: »Niemand von uns ist in der Lage den Krieg auszurotten, aber es ist unsere Pflicht, ihn zu denunzieren und bloßzustellen in all seinen Abscheulichkeiten.«

»S`brennt Briderlech« – ein jiddisches Lied von Mordechaj Gebirtig, der im Krakauer Ghetto starb – rezitierte Johanna Arndt dann ebenfalls. Mit Liedern und Texten von Kurt Tucholsky, Hans Eisler, Bertolt Brecht sowie drei biografischen Texten von Johanna Arndts Großvater ging der eindrucksvolle erste Teil des Konzertes zu Ende. Das gesamte Repertoire kann dem Veranstaltungsprogramm entnommen werden.

Revolutionäre Romantik und virtuosen Gitarrenmusik
Den zweiten Teil des Konzertes bestritt der chilenische Liedermacher, Dichter und Gitarrist Nicolas Miquea. Viele seiner Texte wurden in Chile veröffentlicht. Bevor er seine poetischen Lieder in spanisch vortrug, las er jeweils eine deutsche Übersetzung vor, wie in dem Song, der über seine Lieder ging:

»Wenn dir ein Unglück passiert,
dann denke daran, dass das Schicksal nun mal das Schicksal ist
und, dass ich nicht die Macht habe es aufzuhalten.
Wenn du aber dennoch Angst verspürst,
dann schalte das Radio aus
und meine Stimme wird verschwinden.
Später kannst du es wieder einschalten
und einen Sender mit romantischen Balladen einstellen.
Während du dich an den Tisch setzt,
musst du nur acht geben
nicht dein Spiegelbild in der dampfenden Tasse zu erblicken!«

Nicolas Miqueas Lieder sind poetisch und voller revolutionärem Pathos zugleich. Die Songs handelten von der »Arroganz des Westens«, »Diskussionen mit einem Europäer«, »schmerzhaften Erinnerungen« und »wenn das Imperium vom Frieden spricht«.

Aber auch ein Liebeslied trug er vor. Auf der Konzertgitarre zeigte er klassische Meisterleistungen. Mit dem hoffnungsvollen »Wenn das Volk sich erhebt« beendete er – schweißgebadet – sein Konzert.

Klaus Petri dankte zum Abschluss Johanna Arndt, Anna von Rohden – die Johanna Arndt am Klavier begleitete – sowie Nicolas Rodrigo Miquea unter dem Applaus der Besucher*innen mit kleinen Erinnerungen an Wetzlar.

Aufgenommen von Romano Williams Icochea

Aufgenommen von Romano Williams Icochea

Im ersten Teils der Konzertlesung trug Johanna Arndt Lieder und Texte von Bertolt Brecht, Hanns Eisler, Mordechaj Gebirtig, Friedrich Holländer, Ludvík Aškenazy, Elie Wiesel, Paul Dessau und Kurt Tucholsky vor, begleitet von Anna von Rhoden auf dem E-Piano. Sie führte uns in die Zeit der beiden Weltkriege und vermittelte ein Bild von den Kriegszeiten, die uns in Europa mit wenigen Ausnahmen seit 1945 erspart geblieben sind.
Im zweiten Teil des Konzertes spielte der chilenische Gitarrist, Dichter, Komponist und Liedermacher Nicolas Miquea eigene Friedens- und Lebenslieder.

19:30 Uhr Einlass
20:00 Uhr Programmbeginn

Programmfolge:

  1. Das Lied vom Kelch
    Bertold Brecht/ Hanns EislerWorte über Frau Kopetzka
    die Wirtin des Gasthauses zum Kelch•
  2. Überlebende von Ausschwitz
    Zitat von Elie Wiesel
  3. S´brennt, Briderlech, s´brennt
    (jiddisches Lied) Text und Melodie Mordechaj Gebirtig
  4. Indianische Weisheit
  5. Die Trommlerin in der Schießbude
       Text und Musik F. Hollaender
  6. Der Schrei – Ein Mensch wird geboren
    L. Âskenazi
  7. Bitten der Kinder
    Bert Brecht / Paul Dessau
  8. Der Menschheit drohen Kriege
    Bertold Brecht
  9. Über den Nachbar Soldat im 2. Weltkrieg und seinen Enkel
    (alter Nazi und junger Faschist)
  10. Der Graben
    Kurt Tucholsky / Hanns Eisler•Feldpostbrief meines Vaters Soldat im 2. Weltkrieg
  11. Mein Großvater Soldat im 1. Weltkrieg
    biografisch
  12. Unsere Mütter, die Heldinnen der Nachkriegszeit
    biografisch
  13. Winterfastenzeit
    B. Balke | M. Schmitz
  14. Winterasternzeit
    geschrieben für Johanna Arndt
  15. Das Leibregiment
    Kurt Tucholsky / W.R. Heymann
  16. Die Moldau
    Breold Brecht / Hanns Eisler

Pause

danach:
Nicolas Miquea mit eigenen Friedens- und Lebensliedern

Nicolas Miquea ist chilenischer Sänger, Gitarrist, Dichter, Komponist und Liedermacher. Er sang seine Lieder in seiner spanischen Muttersprache, vorher las er die deutsche Nachdichtung vor

Die Bitten der Kinder
von Berthold Brecht (1951)

Die Häuser sollen nicht brennen.
Bomber sollt man nicht kennen.
Die Nacht soll für den Schlaf sein.
Leben soll keine Straf sein.
Die Mütter sollen nicht weinen.
Keiner sollt töten einen.
Alle sollen was bauen.
Da kann man allen trauen.
Die Jungen sollen`s erreichen.
Die Alten desgleichen.

Johanna Arndt und Anna von Rohde

Konzertlesung Antikriegstag 2021 Johanna Arndt und Anna von Rohden
Von Links: Johanna Arndt und Anna von Rohden  

Johanna Arndt absolvierte ihr Studium an der Hanns-Eisler Musikhochschule in Berlin. Sie machte ihren Soloabschluss als Chanson- und Musicalinterpretin und beendete ihr Studium als Gesangspädagogin. Sie belegte bei Gisela May Interpretationskurse.

Nach einem weiteren Studium an der Hochschule der Künste in Berlin erhielt sie ihren Abschluss als Spielleiterin und Theaterpädagogin. Johanna Arndt ist Preisträgerin der Chanson-Tage der DDR. Nach 1989 Tourneen in Japan, der Schweiz und im Bundesgebiet. Neben ihren eigenen Auftritten führt sie Chanson-Workshops durch.

Anna von Rohden
studierte Klavier an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock. Derzeit unterrichtet sie Klavier an der Musikschule Berlin-Reinickendorf. Neben Soloauftritten arbeitete sie bereits während des Studiums mit Schauspieler*innen und Sänger*innen zusammen. Mit Johanna Arndt spielt sie seit 2018 musikalisch-literarische Programme und begleitet ihre Chanson-Workshops.

Nicolas Miquea

Konzertlesung Antikriegstag 2021 Nicolas Miquea

Nicolas Miquea

Er studierte Klassische Gitarre an der Eastman School of Music in Rochester (New York), an der Musikhochschule »Franz Liszt« Weimar sowie an der Hochschule für Musik und Theater Rostock.
Viele seiner Texte wurden in Gedichtsammlungen und literarischen Magazinen in Chile veröffentlicht. 1996 wurde er Stipendiat der Pablo Neruda Stiftung in Valparaíso (Chile). 1999 gewann er mit dem Musikensemble »Transiente« den Fondart-Preis.

Der Antikriegstag ist ein besonderer Tag der Mahnung: Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Er ist ein Tag des Erinnerns daran, dass unser Land angesichts der Menschheitsverbrechen der Nazis besondere Verantwortung für den Frieden trägt. Für uns steht fest: Wir brauchen eine Politik, die auf Entspannung und Abrüstung setzt.

Deutschland steht auf Platz sechs der Länder mit den größten Rüstungsausgaben. Unser Verteidigungshaushalt weist ein Plus von über fünf Prozent aus, die größten Zuwachsrate der Top-Ten-Staaten auf knapp 47 Mio. €. Nach den NATO-Zielvorgaben soll Deutschland bis 2030 2% des BIP für Verteidigung ausgeben = 20 Milliarden Euro mehr.

Das internationale Wettrüsten muss aufhören: Wir brauchen das Geld dringend für einen sozialverträglichen und ökologischen Umbau der Weltwirtschaft, für die Bekämpfung von Hunger, Armut und Flucht auf dieser Welt!.

Der Antikriegstag dient zur Mahnung vor Kriegsgefahr und dient der Sehnsucht nach Frieden. Ein Thema mit leider sehr aktueller Brisanz:

Besonders an der Westgrenze Russlands, in Afrika, aber auch im Pazifik und im Nahen Osten werden die Kriegsdrohungen lauter. Statt das Völkerrecht und die Charta der Vereinten Nationen zu stärken, kündigt unsere neue Außenministerin Annalena Baerbock »Härte gegen Russland« an und im Koalitionsvertrag der Ampel wird gesprochen von einer »Strategischen Souveränität« als »Sicherheitspfeiler«. Das Kalkül: notfalls auch mit militärischer Eskalation. 3 % des Bruttosozialproduktes sollen künftig in die Rüstung fließen. Die neue Regierung setzt somit in der EU und mit der NATO auf das »Recht des Stärkeren«.

In dieser Denke wird Krieg wieder die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Die veröffentlichte Meinung in vielen Medien befeuert diesen Anspruch.

Man kann sich nun trefflich über die Verhältnisse in der postkommunistischen Gesellschaft Russlands streiten, auch über Putin. Man sollte aber niemals vergessen, dass bei der vermeintlichen Bedrohung aus dem Osten und durch den Russen, Tod und Entsetzen über die Angriffskriege aus Deutschland zur Realität wurden. Und nicht umgekehrt. Uns – aber auch der Ukraine – ist nicht damit geholfen, die alten Angst schürenden Parolen des Antikommunismus aus der Schublade zu holen. Bei allem Bedrohungsszenario, dass uns der Russe bedroht war es schon 1914 und 1940 so, das Deutschland Russland überfallen hatte und nicht umgekehrt. Und bei allem medial inszenierten Bedrohungsszenario heute sollten wir zur Kenntnis nehmen: Die Nato hat ihre Grenze um rund 2.000 km gen Osten verschoben. John F. Kennedy hatte 1962 der SU in der Kubakrise mit Krieg gedroht, falls die sowjetischen atomaren Raketen nicht von Kuba abgezogen würden. Heute stehen die atomaren Mittelstreckenraketen der Amerikaner unmittelbar an der russischen Grenze.

Die Kompetenz von WETZLAR ERINNERT e.V. ist, die Erinnerung an die Ereignisse der NS-Zeit in unserer Stadt so aufzubereiten, dass wir für unsere Zukunft aus der Geschichte Lehren ziehen können.

»Texte und Lieder gegen den Krieg«
von Klaus Petri
hatte die 1941 in Schlesien geborene Johanna Arndt als Reiseproviant dabei, als sie zusammen mit ihrer Pianistin Anna von Rohden und dem chilenischen Liedermacher und Gitarristen Nicolas Miquea von Berlin aus mit dem Zug zu einer von Wetzlar erinnert e.V., DGB und GEW organisierten Kulturveranstaltung ins Wetzlarer FRANZIS aufbrach.

Vor vier Jahren hatte die Künstlerin sich erstmals mit einer »Gisela May-Hommage« einem Wetzlarer Publikum vorgestellt. An der Musikschule Hanns-Eisler in Berlin studierte Arndt als junge Frau Gesang (Fachrichtung Chanson) und absolvierte in Weimar Meisterkurse bei der 1924 in der Wetzlarer Schmiedgasse geborenen und später weltberühmt gewordenen Schauspielerin und Brecht-Interpretin Gisela May. Die Dozentin und die 17 Jahre jüngere Schülerin blieben einander bis zu Gisela Mays Tod in 2016 künstlerisch und menschlich eng verbunden.

Gisela May hatte bei der UNO in New York Brechts »Friedenslied« dargeboten, als beide deutschen Staaten kurz zuvor UNO-Mitgliedsstaaten geworden waren. Die Sängerin hatte am Ende ihren Lebens in einer Mietwohnung in Berlin/Mitte gelebt, wich dann wegen einer Gebäudesanierung zeitweilig ins Hotel Kempinski aus und verstarb in einem Seniorenheim in Berlin/Treptow.

»Mit dem Hommage-Programm habe ich Trauerarbeit geleistet und den Depressionen wegen des Verlustes meiner Mentorin entgegengewirkt«, verriet die rüstige 80-Jährige. Mit ihrem um biografische Textteile erweiterten Brecht- (»Bitten der Kinder«, »Moldau«), Tucholsky- (»Der Graben«, »Das Leibregiment«) und F. Hollaender (»Blechfigur in der Schießbude«) – Programm soll an die Schrecken der beiden Weltkriege erinnert und deren Drahtzieher gebrandmarkt werden, die zu allen Zeiten am Krieg verdient haben und weiterhin verdienen.

Johanna Arnd 2021 zu Besuch in Wetzlar

Das Künstler-Trio um Johanna Arndt – hier mir einem Exemplar der 2002 im Leipziger Malitzke-Verlag erschienenen Gisela May-Autobiografie »Es wechseln die Zeiten« – übernachtete privat in der Helgebachstraße. Einige Häuser weiter oberhalb hatte Familie May mit der kleinen Gisela um 1930 gewohnt. Bild © Klaus Petri