Warum wir die Gedenktafel zu den Ereignissen der NS-Zeit in Wetzlar unterstützen
Statement von Superintendent Pfarrer Dr. Hartmut Sitzler
Ein hörendes Ohr und ein sehendes Auge, die macht beide der Herr.
Sprüche 20,12
In den vergangenen Jahren hat sich eine bemerkenswerte Redewendung etabliert. Es ist üblich geworden, von einem »kollektiven Gedächtnis« zu sprechen. Im kollektiven Gedächtnis sind prägende Erinnerungen einer Gemeinschaft aufbewahrt. So wie einen Einzelnen die Erfahrungen, die er in seinem Leben macht, prägen, so auch kollektive Erfahrungen.
Nun gibt es Erlebnisse, an die man sich gerne erinnert, und solche, bei denen die Erinnerung schmerzlich ist. Gerade bei den schmerzlichen ist es wichtig, das sie bewusst gemacht und bearbeitet werden, damit sie als Erfahrungen ihren Platz im Gedächtnis und damit auch für das zukünftige Leben finden. Verdrängtes dagegen wirkt im Untergrund. Das ist auch beim kollektiven Gedächtnis so. Nur wer sich ehrlich erinnert, kann eine reife Persönlichkeit werden.
Aus diesem Grund ist es gut, die Menschen im Gedächtnis zu halten, die in der Jahnstraße auf ihren Abtransport warten mussten. Es ist wichtig, dass wir an die erinnern, die auf diesem Gräberfeld des Niedergirmeser Friedhofs beerdigt liegen. Wir denken an diese jungen Menschen, die gegen ihren Willen zur Kriegsarbeit nach Deutschland gebracht wurden und nun dort unter unwürdigen Bedingungen verscharrt worden sind. Gerade in diesen Wochen, in denen die Nachrichten Bilder vom Krieg in der Urkaine zeigen, erinnern uns ihre Gräber an unsere eigene Kriegs- und Gewaltgeschichte.
Was für ein hohes Gut ist der Frieden! Hören wir auf die Geschichten der Menschen, schauen wir uns diese Gräber an. Ein hörendes Ohr und ein sehendes Auge, die macht beide der Herr.
Dr. Hartmut Sitzler
Pfarrer
Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises an Lahn und Dill