Warum wir die Gedenktafel zu den Ereignissen der NS-Zeit in Wetzlar unterstützen
Statement von Pfarrer Wolfgang Grieb
Erinnerung ist das Geheimnis der Erlösung. Ohne Erinnerung gibt es keine tragfähige Zukunft. Nur mit wachsamer Erinnerung können wir der Gegenwart wachsam begegnen und die Zukunft achtsam bauen.
Das Projekt der Gedenktafeln ist ein weiterer Beitrag, Erinnerungskultur in unserer Stadt lebendig und vielfältig zu gestalten. Die Erinnerungstafeln an öffentlichen Plätzen sind auffällige Hingucker, die auch dem zufälligen Passanten so ins Auge fallen, dass er sich fast automatisch mit der darauf beschriebenen Geschichte zu auseinandersetzen beginnt. In Kombination mit pädagogischen Führungen von Schulklassen und anderen Gruppen erweiterten sie historisches Wissen und Bewusstsein und den Willen heute alles dafür zu tun, dass diese Verbrechen nicht wieder geschehen.
Als Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit liegen uns dabei besonders die Erinnerungen an das Leiden der Wetzlarer Juden am Herzen, die in wenigen Jahren vom geschätzten Nachbarn zum vernichtungswürdigen Feind erklärt wurden. Der Weg der letzten Wetzlarer Juden in die Baracke in der Jahnstraße und von dort in die Vernichtung jährt sich in diesem Sommer zum achtzigsten Mal und gebührt darum besonderer Aufmerksamkeit.
Sinnstiftend ist, dass die Gedenktafel direkt an der Außenwand einer Kirche angebracht ist. Denn dadurch stellen wir als Christen uns der traurigen Einsicht damals versagt zu haben und durch Schweigen und Billigung der Ausgrenzung der Juden den Weg zu ihrer Vernichtung mitgeebnet haben. Und so verpflichtet uns die Gedenktafel, heute rechtzeitig die Stimme zu erheben und aufzustehen, wenn Antisemitismus und Fremdenhass unser Zusammenleben bedrohen.
Wolfgang Grieb
Pfarrer
Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Gießen-Wetzlar e.V.