Warum wir die Gedenktafel zu den Ereignissen der NS-Zeit in Wetzlar unterstützen
Statement von Pfarrer Peter Hofacker

2021 steht unter dem Jubiläum »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«. Dies ist eine Riesenchance einen neuerlichen, vielleicht sogar neuen Blick auf das jüdisch-christliche Verhältnis zu wagen. Dieses Gedenkjahr macht neugierig auf die reiche jüdische Geschichte, weil es Lust macht, den jüdischen Glauben und die jüdische Gemeinschaft in Deutschland heute näher kennenzulernen. Ebenso wichtig ist die Erinnerung an andere Opfer des Nazi-Regimes – auch an verschiedenen Orten in Wetzlar.

Das Erinnern und Gedenken insbesondere der Opfer unserer Geschichte ist zutiefst christlich und zeichnet jede humane Kultur aus. Wir »gedenken vor allem der Opfer, die in Folge der nationalsozialistischen Machtübernahme gedemütigt, vertrieben, verfolgt, eingekerkert, verschleppt und ermordet wurden. Wir schauen aber auch auf die Orientierungslosen, die Mitläufer und die Täter … Auch heute schmerzt noch, dass damals, im März 1938, und in den sieben düsteren Jahren danach, die ChristInnen – auch und gerade die Bischöfe – nicht stärker der Macht des Hasses, der Unmenschlichkeit und der Diktatur entgegengetreten sind.« (Erklärung der österreichischen Bischöfe 2018)

Wie geht es uns als Christinnen und Christen heute angesichts der Kriege, des Elends in den Flüchtlingslagern dieser Welt, der Vertriebenen vieler Länder? Berühren uns diese Bilder noch? Sind unsere Herzen eingefroren – in einem Land, in dem »Gutmensch« zu einem Schimpfwort geworden ist? Aber der Rüstungsexport immer weiter geht.

Als Christinnen und Christen wollen wir einer zunehmenden Stimmung in der Bevölkerung widerstehen, in der Menschen in ihrer Gottesebenbildlichkeit nicht wahrgenommen werden, ihnen ihre Menschenwürde abgesprochen wird.

Für den bekannten Konzils-Theologen Johann Baptist Metz gehört die Erinnerung und das Gedächtnis an die Leiden und an die Opfer unserer Geschichte zu den Grundpfeilern des christlichen Glaubens. In seinem Buch »Memoria Passionis«, Gedächtnis des Leidens, schreibt Metz, dass man Gott nicht mit dem Rücken zur menschlichen Leidensgeschichte verehren könne. »Die Botschaft Jesu lässt es nicht zu, dass wir über seine Leidensgeschichte die Leidensgeschichte der Welt vergessen; sie lässt es nicht zu, dass wir über seinem Kreuz die vielen Kreuze in der Welt übersehen.«

Das Kreuz Jesu Christi öffnet den Blick für die Geschundenen, für die vielen Kreuze in der Welt, für vergangenes und gegenwärtiges Leid. Als Christinnen und Christen erinnern wir uns an die Verheißung, dass es mit dem Tod nicht einfach aus ist, dass der Tod nicht alle und alles gleichschaltet, dass uns über den Tod hinaus die universale Gerechtigkeit Gottes verheißen wird: »Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein…« So heißt es im Buch der Offenbarung (21,4).

Die Seligpreisungen weisen uns die Richtung, sie sind so etwas wie das Leitbild der großen Vision Gottes mit uns Menschen:

Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.
Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne und Töchter Gottes genannt werden.
Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein.

Peter Hofacker
Pfarrer
Katholische Pfarrei Unsere Liebe Frau Wetzlar

Tafelstifter für die Gedenktafel:

Hintergrund-Informationsseite: