Warum wir die Gedenktafel zu den Ereignissen der NS-Zeit in Wetzlar unterstützen
Statement von Viola Krause

1052 Kriegsgräberstätten gibt es in Hessen. In den 1990ziger Jahren wussten die für die Gräberstätten zuständigen Kommunen selten etwas zur Entstehungsgeschichte oder zu den Schicksalen der dort bestatteten Männer, Frauen und Kinder zu sagen. Die einzige Information zu den Toten, war in der Regel das, was auf den Grabkennzeichen stand. Selten wusste der Volksbund mehr, da sich dieser auf seine Zuständigkeit für die Kriegsgräberstätten im Ausland konzentrierte. Weil das damals so war, hat der Landesverband Hessen über die Aktion »Aktiv werden«, Jugendliche und Erwachsene dazu aufgefordert, sich den Schicksalen dieser Toten zu nähern und zu „Entdeckern“ der Kriegsgräber(-stätten) ihres Wohn-, Schul- oder Arbeitsortes zu entwickeln. Sie sollten erkunden, wann und warum diese Menschen – deutsche wie ausländische Tote – dort bestattet sind und dem jeweiligen historischen Kontext auf die Spur kommen, der zu deren Tod geführt hat. Sie sollten sich dafür interessieren, ob und wie durch die Stadt- bzw. Ortsgesellschaft, durch Initiativen und Vereine an diese Toten erinnert wird – damals und gegenwärtig. Erinnerung und Gedenken sollten – im besten Fall – von den jeweiligen »Entdeckern« zukünftig aktiv mitgestaltet werden. Die Dokumentation der Ergebnisse durch die regionalen Akteure war dabei eines der Ziele unserer damaligen Aktion, insbesondere aber sollten Schulen auf diese Lernorte aufmerksam werden.

Alle diese Zielsetzungen hat der Verein Wetzlar erinnert e. V. – vermutlich ohne von der Volksbund-Aktion Kenntnis zu haben – als Teil der Stadtgesellschaft Wetzlar vorbildlich umgesetzt. Die örtliche Schule befasst sich seit Jahren regelmäßig mit den in Niedergrimes bestatteten Schicksalen der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Verein und Schule engagieren sich gemeinsam für die städtische Gedenkkultur, gestalten also die regionale Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des Zweiten Weltkrieges aktiv mit und nutzen ihre individuellen Möglichkeiten, um an die Toten und den historischen Kontext ihres Todes gestern und gegenwärtig zu erinnern.

Der Verein hat ein System von Informationstafeln initiiert, auf denen die Ergebnisse der eigenen Recherche öffentlich zugänglich sind. Eine Zielsetzung, die der Landesverband Hessen des Volksbunds seit Ende der 1990ziger Jahre mit seinem wissenschaftlichen Forschungsprojekt zur historischen Ausarbeitung ausgewählter hessischer Kriegsgräberstätten gleichfalls verfolgt. Ziel war und ist es, die größeren dieser Friedhöfe in Hessen zu Lernorten der historisch-politischen Bildung weiter zu entwickeln. Diese Arbeit ist, ebenso wie die des Vereins in Wetzlar nicht abgeschlossen. Im kommenden Jahr knüpfen wir beispielsweise an unsere Recherche zur Kriegsgräberstätte in Schlüchtern an, weil die dort stehende Informationstafel aktualisiert werden muss. Auf die Ergebnisse der heute in Wetzlar enthüllten Tafeln – ebenso wie auf die zuvor erarbeiteten – greifen wir zurück, wenn im Sommer 2023 die Internationale Jugendbegegnung des Volksbundes in Wetzlar stattfindet. Wir freuen uns, dass wir zumindest für eine dieser Tafeln einen bescheidenen Beitrag leisten konnten.

Viola Krause


Landesgeschäftsführerin
Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge, Landesverband Hessen

Tafelstifter für die Gedenktafel:

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