Erklärung der NS-Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen in Hessen
Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen leisten einen wesentlichen Beitrag zur Demokratiegeschichte – Das Hindenburg-Grab ist kein Lern- und Erinnerungsort!
Die Hessische Landeszentrale für politischen Bildung (HLZ) hat im vergangenen Jahr ihre Website überarbeitet. Teil des Relaunchs waren neue Themenfelder, wie die Rubrik »Hessen erinnert«, die Lern- und Erinnerungsorte der Demokratiegeschichte aufführt. Bis vor kurzem wurde hier das Grab von Paul von Hindenburg, zweiter Reichspräsident der Weimarer Republik und Wegbereiter der nationalsozialistischen Diktatur, als Lernort von Demokratiegeschichte aufgelistet. Infolge starker Kritik seitens der SPD- und FDP-Fraktion im Landtag wurde Anfang April die entsprechende Stelle von der Webseite der HLZ entfernt.
Als Zusammenschluss von Erinnerungsakteur*nnen, die über die Mechanismen der NS- Machtetablierung aufklären, bekräftigen wir die Kritik aus dem Landtag. Hindenburg verbreitete die sogenannte Dolchstoßlegende, in der wahrheitswidrig behauptet wurde, dass das Deutsche Heer unbesiegt und von den Novemberrevolutionären durch einen Waffenstillstand von hinten erdolcht worden sei. »Ohne Hindenburgs Entscheidung, Hitler den Weg in das Berliner Herrschaftszentrum freizugeben, wäre die deutsche, ja die globale Geschichte nach menschlichem Ermessen anders verlaufen«, so der Historiker Hans Ulrich Wehler: Hindenburg ernannte Hitler zum Reichskanzler und unterzeichnete das »Ermächtigungsgesetz«.
In den 80ger Jahren sind in Hessen, aber auch bundesweit zahlreiche NS-Erinnerungsinitiativen und Gedenkstätten entstanden. 1999 wurde in Hessen die Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen (LAG) gegründet. Im Dezember 2020 wurde der Bundesverband der Gedenkstätten gegründet.
Seit längerer Zeit beschäftigt uns die Frage, wie diese Arbeit dauerhaft gesichert werden kann und wie die Nachlässe und Dokumente gesichert werden können. Deshalb hat die LAG in den letzten Jahren zwei Archivtagungen in Marburg organisiert.
Die Initiatoren der Gedenkarbeit sind überwiegend seit Jahrzehnten ehrenamtlich engagiert. Da steht in Generationenwechsel an und junge Menschen kann man für Projekte, die zeitlich befristet sind, gewinnen, aber selten für Vereinsarbeit oder gar für den Vorsitz in einem Verein. Die Arbeit ist so umfangreich, dass sie auch kaum mit Familie und Berufstätigkeit in Einklang gebracht werden kann.
Dauerhaft wird die Gedenkarbeit nicht ausschließlich ehrenamtlich geleistet werden können. Deshalb denken wir an eine institutionelle, städtische oder staatliche Förderung, die es möglich macht, Stellen auszuschreiben und Menschen zu beschäftigen.
Gleichzeitig werden Gedenkstätten Mittel gekürzt und auf Projektmittel verwiesen. Z.B können über „Demokratie leben!“ eine Vielzahl von Projekten gefördert werden, Millionen stehen dafür zur Verfügung. Das geht aber nur in Städten, die eine Partnerschaft mit „Demokratie leben!“ haben. Antragsteller sind mit großem zeitlichem Aufwand mit der Erstellung von Anträgen, Evaluation, Abrechnungen beschäftigt, anstatt sich den inhaltlichen und pädagogischen Aufgaben widmen zu können.
Seit vielen Jahren erleben wir, dass die politischen Schwerpunkte verlagert wurden von NS-Gedenkstätten hin zu DDR-Museen, Orten der Demokratiegeschichte etc., hier werden neue Orte geschaffen und mit viel Geld ausgestattet. Das lehnen wir nicht grundsätzlich ab, aber problematisch ist, wenn auf der Seite der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung die NS-Gedenkstätten nicht mehr bzw. lediglich Orte zu finden sind, abgesehen von Breitenau und Hadamar, aber gleichzeitig das Grab von Hindenburg in der Elisabethkirche in Marburg als Ort der Demokratiegeschichte dargestellt wird. Das ist unerträglich. Bundesweit gibt es Initiativen, die sich dafür engagieren, dass nach Hindenburg keine Straße, kein Platz und keine Einrichtung benannt wird.
Heute leben nur noch wenige Zeitzeugen, die auch eine große Rolle gespielt haben in den NS-Gedenkstätten. Ihre Stimme fehlt uns. Gerade die Aufarbeitung der NS-Zeit ist ein bedeutender Beitrag zur Demokratieentwicklung in Deutschland. Die zahlreichen Erinnerungsinitiativen und Gedenkstätten leisten einen wesentlichen Beitrag zur Demokratieerziehung, gegen Antisemitismus, Rassismus und rechte Gewalt.
Damit sind sie wichtige Orte der Demokratiegeschichte, müssen in Expertenrunden gehört und ihr Fortbestand muss dauerhaft gesichert werden.