Es ist die fünfte Tafel dieser Art im Stadtgebiet, 18 weitere sind in Planung. »Wir erinnern heute an erlittenes Unrecht, damit Menschen sich heute und künftig mit Respekt und unter Wahrung der Menschenwürde des anderen begegnen«, betonte der stellvertretende Schulleiter der Erwachsenenschule, Joachim Gut, bei der Begrüßung der über 50 Gäste des historischen Gedenkens. Darunter war auch der 88-jährige Dalheimer Alfred Walter, der im April 1987 bei einem Stadtrundgang mit dem 1990 verstorbenen Kiryllow als Übersetzer tätig war und noch viele Jahre mit dessen in Legnica (Schlesien) lebenden Verwandten Briefkontakt hielt.
Ernst Richter informierte als Vorsitzender des Vereins »Wetzlar erinnert«, dass die Gedenkaktion im Rahmen des Bundesprogramms »Demokratie leben!« gefördert werde. Ziel der lokalhistorischen Aufklärungsarbeit sei es, der verbreiteten Geschichtsvergessenheit bezüglich der Gräuel der Nazizeit durch »Erinnern vor Ort« entgegenzutreten und die Rehabilitierung völkischer Ideologie, wie sie von der AfD betrieben werde, zurückzuweisen. Richter nannte beispielhaft die Begriffe »Lügenpresse«, »Volksverräter« und »Umvolkung«.
Wetzlars OB Wagner (SPD) leitete seinen Redebeitrag mit »Zukunft braucht Erinnerung« ein. Er bedankte sich für zivilgesellschaftliches Engagement, das die Wetzlarer Stadtgeschichte »erlebbar und lebendig« aufarbeitet. »Wir tragen als nach 1945 Geborene selbst keine Schuld an dem damaligen Geschehen, aber wir sind für unser eigenes Tun und Unterlassen verantwortlich«, unterstrich das Stadtoberhaupt.
Der Gießener Jura-Student Attila Bostanci aus Dillenburg-Oberscheld hat vor zwei Jahren sein Abitur am Kolleg nachgeholt und ist seit einem Jahr Vorsitzender des Förderkreises der Erwachsenenschule: »Ich habe diese Schule als Hort des Lernens und der Chancen-Gerechtigkeit kennen- und schätzen gelernt. Junge Menschen wie Thomasz Kiryllow wurden damals von der Schulbank weggeführt und zu Sklavenarbeit unter unsäglichen Bedingungen gezwungen. Wir als Förderkreis unterstützen gerne alle Anstrengungen, die eine Wiederholung von Krieg und Faschismus verhindern helfen«. Dass mit Alexander Gauland ein AfD-Führer mit Blick auf die zwölfjährige Nazi-Barbarei von einem »Vogelschiss in der deutschen Geschichte« spreche, jage ihm Schauer über den Rücken, bekannte Bostanci.
Daniel Sälzer ist Geschäftsführer der Weltfirma Pfeiffer Vakuum mit Sitz in Asslar. Er war am Vortag des Gedenkens noch auf Geschäftsreise in Japan und betonte mit Blick auf die weltweit 3.000 Beschäftigten der Firma Pfeiffer: »Rassismus, Diskriminierung von Minderheiten und menschenverachtende Arbeitsbedingungen müssen endgültig der Vergangenheit angehören. Ich bewundere den Mut von Menschen wie Thomasz Kiryllow, die sich damals dem Unrecht aktiv widersetzt haben. Wir brauchen auch heute mehr solche Menschen.« Chris Sima und Irmgard Mende trugen mit der Rezitation von Textpassagen aus der Autobiografie des stellvertretend für über 9.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern im damaligen Kreis Wetzlar Geehrten zum Gelingen der Festveranstaltung bei.