Zu Ehren von Christian Wilhelm Mackauer
der von den Nazis als Lehrer aus seiner Schule vertrieben wurde

Am 29. Februar 2024 fand die Enthüllung der 18. Gedenktafel für Christian Wilhelm Mackauer an der Goetheschule Wetzlar statt. Rund 200 Menschen nahmen an der Feierstunde in der Schulaula und der Tafelenthüllung vor der Schule teil.

Wir werden hier nun schrittweise noch die Reden der Tafelstifter aufnehmen, sobald sie bei uns eingegangen sind.

Einzelheiten zur Veranstaltung und zum Thema
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Bilder: Ernst Richter © Wetzlar erinnert e.V.

15.00 Uhr in der Aula der Schule:
  • Musikalische Eröffnung
    durch Schüler*innen der Goetheschule mit »Hevenu Shalom Aleichem – Wir wollen Frieden für alle«
  • Eröffnung und Begrüßung
    durch Annette Kerkemeyer (Schulleiterin der Goetheschule)
  • Warum das Projekt »Gedenktafeln zur NS-Zeit«?
    Ernst Richter (Vorsitzender von Wetzlar erinnert e.V.)
15.10 Uhr Statement der Tafelstifter
  • Landrat Wolfgang Schuster
    (für den Lahn-Dill-Kreis)
  • OB Manfred Wagner
    (für den Magistrat der Stadt Wetzlar)
  • Laura Pauli
    (für die europäische Akademie der Arbeit, Frankfurt)
  • Ein Grußwort per Video aus der University of Chicago
    (USA)
15.40 Uhr Die Akte Mackauer

Präsentation der Forschungsergebnisse der AG Schulgeschichte der Goetheschule Wetzlar

15:55 Uhr: Zum Ende der Gedenkstunde in der Aula
  • Musikalischer Abschluss
    vorgetragen von Schüler*innen: »Hava Nagila«
16.15 Uhr Tafelenthüllung

am Fußweg zwischen Bushaltestelle und Schuleingang durch die Tafelstifter

Christian Wilhelm Mackauer (*1897; † 1970) war zwischen 1934 und 1937 Lehrer für Latein, Geschichte und Altgriechisch an der Goetheschule in Wetzlar. Doch dies nicht freiwillig:
Seine Frau selbst war konfessionslos, ihre Eltern jedoch jüdischen Glaubens. Es ist stark davon auszugehen, dass rassenideologische Gründe ausschlaggebend für seine Zwangsversetzung an die Goetheschule waren. Als rechtliche Grundlage hierfür diente dem NS-Staat sein »Reichsgesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums«.

Das Gesetz beinhaltete neben Versetzungen auch zwangsweise Pensionierungen, und so bekam auch Dr. Christian Wilhelm Mackauer nach erfolglosem Kampf um seine Stelle den endgültigen Bescheid, dass er zum 01.10.1937 in den Ruhestand versetzt werde.

Das Ehepaar emigrierte 1940 in die Vereinigten Staaten, wo Mackauer ab 1942 an der Universität von Chicago lehrte. Zu Ehren seiner außerordentlichen Leistungen wurde im Jahr 2017 der Gesellschaftswissenschaftliche Lehrstuhl der Universität nach ihm benannt.

Der Fall Mackauer verdeutlicht, stellvertretend für viele andere Fälle, wie im deutschen Faschismus bewusst gesetzliche Grauzonen geschaffen wurden, um unerwünschte Personen aus Arbeitswelt und Gesellschaft zu entfernen.

Annette Kerkemeyer
Schulleiterin der Goetheschule Wetzlar

Sehr geehrte Frau Bundestagsabgeordnete Schmidt,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Hessischen Landtags, (Frau Kunz und Herr Steinraths),
sehr geehrter Herr Landrat Schuster,
sehr geehrter erster Kreisbeigeordneter Herr Esch,
sehr geehrte Kreisbeigeordnete und Vertreterinnen und Vertreter des Kreistags,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Wagner, sehr geehrter Sprecher der Bürgermeister des Lahn-Dill-Kreises, Herr Inderthal, sehr geehrte Bürgermeister der Stadt Wetzlar und der umliegenden Gemeinden,
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete,
sehr geehrter Herr Richter, sehr geehrte Frau Köppl, Vorsitzender und stellvertretende Vorsitzende sowie weitere Mitglieder vom Verein Wetzlar ERINNERT e.V.,
sehr geehrte Damen und Herren aus der Stadtgesellschaft und den umliegenden Gemeinden,
sehr geehrte Frau Pauli, Referentin der Akademieleitung der Europäischen Akademie der Arbeit,
werte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Herr und Frau Grebe, liebe Schülerinnen und Schüler insbesondere liebe Mitglieder der AG Schulgeschichte, sehr geehrte Eltern,
sehr geehrte Presseberichterstatter,
verehrte Gäste!

Ein herzliches Willkommen Ihnen allen zu dieser Feierstunde anlässlich der Gedenktafelenthüllung für Herrn Dr. Christian Wilhelm Mackauer hier in der Aula der Goetheschule Wetzlar. Ich freue mich, dass Sie der Einladung zu dieser Veranstaltung gefolgt sind.

Was führte eigentlich zu der heutigen Gedenkstunde?

Nun, inhaltlich möchte ich nichts vorwegnehmen, vielleicht nur so viel, dass ein eher unscheinbar anmutender Fund das Interesse meines Kollegen, Herrn Dr. Sturm, und der Mitglieder der AG Schulgeschichte so stark geweckt hat, dass sie sich viel Mühe gemacht haben, die Hintergründe der wenigen Unterlagen der Akte Mackauer zu erforschen und dabei sehr interessante Dinge ans Licht gefördert haben, nicht nur hier in Wetzlar oder Deutschland, sondern auch bis nach Chicago in den USA.

Und mit ihrem Enthusiasmus haben sie andere Menschen begeistert, die sich ebenfalls für das Gedenken von Personen einsetzen, die in der NS Zeit gedemütigt, verfolgt oder sogar ermordet wurden.

Mein Dank geht an dieser Stelle zuallererst an Herrn Richter, Vorsitzender des Vereins Wetzlar ERINNERT, der sich für die Errichtung der Gedenktafel für Herrn Dr. Christian Wilhelm Mackauer und vieler weiterer Gedenktafeln hier in Wetzlar und Umgebung eingesetzt hat. Aber ebenso gilt mein Dank allen Unterstützern und Stiftern der Gedenktafel, die wir heute enthüllen dürfen.

Dinge ans Licht befördern, sie sichtbar machen und damit in bleibende Erinnerung zu rufen. Damit denjenigen entgegenzutreten, die abwiegeln und verharmlosen. Tatsachen für sich sprechen lassen anstatt denjenigen das Feld zu überlassen, die mit ihren Bemühungen oder der Präsentation von alternativen Fakten Dinge bewusst unterschlagen, verfälschen oder verleugnen. Das sind zentrale Gründe für diese Veranstaltung und die Errichtung der Gedenktafel.

Ich freue mich, dass damit einem ehemaligen Kollegen der Goetheschule, dem in der NS-Zeit Unrecht wiederfahren ist, heute posthum ein wenig Gerechtigkeit zuteilwird, indem seine Geschichte ab sofort für alle sichtbar und präsent ist.

Und damit wird ebenso präsent, dass Kenntnisse über unsere Geschichte notwendig sind, um für unsere Gegenwart und Zukunft gute Entscheidungen treffen zu können.

Herzlichen Dank daher nochmals allen Anwesenden und allen an der Vorbereitung dieser Veranstaltung Beteiligten.

Und damit möchte Ihnen, lieber Herr Richter das Wort übergeben.

….

Von Ernst Richter:
es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Damen und Herrn,
liebe Schüler*innen und Schüler der Goetheschule,
und ganz speziell: liebe Mitglieder der AG Schulgeschichte dieser Schule,
und liebe Freundinnen und Freunde von WETZLAR ERINNERT e.V.

WETZLAR ERINNERT existiert nun seit 11 Jahren und unsere vornehmste Aufgabe ist, Menschen auf dem »Weg der Erinnerung« – der antifaschistischen Zeitreise durch das Wetzlar von 1933 bis 1945 – mitzunehmen. Anlass hierfür war nicht, dem hiesigen Geschichtsverein eine Konkurrenz entgegenzustellen, sondern vielmehr das zivilgesellschaftliche Bedürfnis, die Gefahren am rechten Rand unserer Gesellschaft heute zu verdeutlichen.

Gerade hier – an diesem Schulzentrum von gymnasialer Oberstufe und Beruflichen Schulen für den LDK – versuchten seit 2007 – sich selbst »Autonome Nationalisten« oder »Anti-Antifa« bezeichnende Gruppen extremer Rechten – mit gezielter Ansprache der Schüler*innen – Nachwuchs für ihre völkisch beseelte Bewegung zu akquirieren. Da wurden dann auch gerne schon mal auf dem Index stehendes und auf CDs gebranntes Liedgut mit faschistischem und antisemitischem Inhalt verteilt. Wer damals hierauf aufmerksam machte, wurde schnell wie ein Nestbeschmutzer behandelt:

»Herr Richter, sie geben mit Ihrer Agitation einer völlig unrelevanten Splittergruppe nur die Aufmerksamkeit, die die suchen und werten damit den rechten Rand in unserer Stadt doch nur auf.«

Zwischenzeitlich gibt es an den Stätten der ehemaligen KZ und Vernichtungslager gut konzipierte Erinnerungs- und Gedenkstätten, zu denen viele Schulklassen fahren. Das ist auch gut so.

Aber es gilt gleichzeitig zu begreifen, dass das, was dort geschah, Taten waren, die woanders ihren Anfang nahmen, die HIER ihren Ursprung hatten. Denn den Worten folgen Taten: »Wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen«, sagte hierzu Heinrich Heine es schon 1823.

Das Grauen der völkischen Ideologie, die industriell vorbereiteten, organisierten und durchgeführten Massenmorde in Auschwitz, Majdanek, Treblinka fanden 1933 ihren Anfang. In jeder Stadt, in jeder Fabrik oder Schule, an jeder Straßenecke des Deutschen Reichs.

Wir wollen damit verdeutlichen, dass wir heute eine Verantwortung haben: Und die lautet: »Nie wieder!«

Und nie wieder ist JETZT

Wir wehren nicht mehr den Anfängen – wir sind mitten drin.

Zwischenzeitlich haben wir auf dem »Weg der Erinnerung« mehr als 3.400 Menschen einen Blick auf die jüngere Geschichte unserer Kreisstadt gegeben. Das sind zumeist Schulklassen oder Geschichtsleitungskurse, aber auch interessierte Bürger*innen aus der Stadtgesellschaft und den Umkreis. An den 16 Stationen dieser 3-stündigen Führung greifen wir Ereignisse aus der NS-Zeit auf, die exemplarisch für das Grauen der gleichgeschalteten faschistischen Gesellschaft stehen.

Aber wir erreichen damit nicht JEDE und JEDEN.

Deshalb kam die Idee auf, mit den 90 x 70 cm großen Tafeln an Stätten dieser Ereignisse den Vorbeigehenden mitzuteilen: »Hoppla, hier war doch mal was?! Und was war das denn?«

Die farbig auffallende Ausrichtung der Tafeln haben wir den PR-Leuten von Pfeiffer Vacuum in Aßlar zu verdanken. Die Aufmachung soll dem Vorbeigehenden klar machen, um was es dort geht – was da mal geschah. Und alles gerade ein gutes Menschenleben her!

Unser Ziel ist,

  • 26 Tafeln zu errichten (ursprünglich waren es 24).
  • mit dieser für Christian Wilhelm Mackauer wird die 18. realisiert.
  • jede Tafel ist Kern eines Projektes zur Erforschung der Ereignisse und der Gewinnung von Tafelstiftern (heutig Nutzer des Areals, Menschen mit einem persönlichen Bezug zum Ereignis, heutige Nachfolgefirmen der damaligen Betriebe, die in das Ereignis involviert waren, jetzt auch eine Schule, und immer mit dabei: Der Magistrat der Stadt und unser Verein entscheidend gefördert durch das Bundesprogramm »Demokratie leben«.
  • Zum Abschluss des Projektes steht eine Tafelenthüllung.

Menschen, deren Aufmerksamkeit wir erweckt haben sollten, bietet der QR-Code auf jeder dieser Tafel mit dem Smartphon oder Tablet eine entsprechende Hintergrundinformationsseite anzuschauen.

Dazu gehören auch die korrespondierenden Beiträge der Tafelstifter, sowie die Dokumentation der Tafelenthüllungen, Standortinformationen usw.

Zu den Tafelenthüllungen:
Ich darf Oberbürgermeister Manfred Wagner als Zeugen dafür nennen, dass jede dieser Veranstaltungen würdevoll —- und in ihrer Form einzigartig waren. Bisher, —- und ich versichere Ihnen: das wird auch dieses Mal so ein:

Von Anbeginn dieses Projektes bot unser Verein an, Schulen und Träger der außerschulischen Jugendbildung Schülergruppen bei der Realisierung neuer Tafeln zu beteiligen. Sei es bei der

  • Erforschung des jeweiligen Ereignisses
  • Gestaltung der Tafeln und / oder der dazugehörigen Website
  • Vorbereitung und Durchführung der Enthüllungsveranstaltungen

Das nach fünf Jahren das erste Mal geklappt. Mit außerordentlich interessanten Ergebnissen haben die Mitglieder der AG Schulgeschichte der Goetheschule Wetzlar

  • Den Impuls für diese Tafel und ihre Widmung gegeben;
  • die Gestaltung der am 29. Februar 2024 vor dem Schulgebäude enthüllten Gedenktafel zu Ehren von Christian Wilhelm Mackauer gestaltet;
  • diese Website – auf der Sie sich befinden – inhaltlich mit ihren Recherchen zum Schicksal von Christian Wilhelm und Clara Mackauer gefüllt.

Dabei konnten die heutigen Mitglieder der Schul-AG auf Recherchen zurückgreifen, die ihre Vorgänger*Innen im Jahre 2018 begangen, nachdem sie auf die Akte Mackauer gestoßen sind.

Im Jahrband 2021 des Wetzlarer Geschichtsvereins wurden von Christian Barth, Svenja Fennel, Cedrik Horst, Anne Orth, Cecile Müller, Malena Wampe und ihrem Lehrer Dr. Holger Sturm eine 15 Seiten umfassende Dokumentation zum Thema veröffentlicht und in diesem Jahr anlässlich des Holocaust-Gedenktages am 27. Januar bei der Gedenkfeier im Rosengärtchen Hannah Fink, Charlotte Hellhund, Hanna Kalder, Peer Reis, Till Schäfer und Dr. Holger Sturm das Schicksal Mackauers vorgetragen.

Deshalb nehme ich mich inhaltlich zurück und überlasse die Ausführungen über das Schicksal von Christian Weilhelm Macker gerne der AG Schulgeschichte.

Für Sie zur Orientierung, was nun geschieht:

Geplant sind drei weitere Schritte:

Für Sie zur Orientierung, was nun geschieht:

  1. Statements der Tafelstifter —-
  2. Dann hören wir die Forschungsergebnisse der AG Schulgeschichte —-
  3. Danach begeben wir uns zur Tafel die von den Vertreter*innen der Tafelstifter enthüllt wird

Die Statements der Tafelsitfter

  1. Für den LDK LR Wolfgang Schuster
  2. Für den Mgistrat OB Manfred Wagner
  3. Für die europäische Akademie der Arbeit, Laura Pauli
  4. Hören und sehen wir eine Videobotschaft mit Elisabeth Clemens & Prof. John Boyer von der University of Chicago!

Wolfgang, du hast das Wort!

Ansprache von Oberbürgermeister Manfred Wagner
Es gilt das gesprochene Wort

»Die Auseinandersetzung mit unserer jüngsten Vergangenheit erfordert gewiss ein Wissen um Fakten, aber das genügt nicht, nötig ist auch der Versuch ihrer Deutung, ohne die keine Folgerung und keine Lehre gezogen werden können.«

Mit diesem Wort des früheren hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer überbringe ich Ihnen die herzlichen Grüße und den Dank der Stadt sowohl für das Aufarbeiten der Akte »Mackauer« als auch aus Anlass der Enthüllung der Gedenktafel für Dr. Christian Wilhelm Mackauer.

Dr. Mackauer wurde wie wir wissen durch Verfügung des Oberpräsidenten in Kassel mit Wirkung vom 1. April 1934 zwangsweise an das Goethe-Gymnasium mit Stein-Aufbauschule versetzt.

Wir müssen davon ausgehen, dass rassenideologische Gründe für seine Versetzung an die Wetzlarer Schule ausschlaggebend waren.

Nach einem vorangegangenen längeren Kampf um seine Stelle, wurde Dr. Mackauer zum 1. Oktober 1937 schließlich zwangspensioniert; im Alter von 40 Jahren.

Das Ehepaar Macker emigrierte 1940 in die USA, wo sich an der Universität von Chicago für Herrn Dr. Mackauer eine Karriere als erfolgreicher und geachteter Hochschullehrer anschloss.

Die Akte »Mackauer« wird im weiteren Verlaufe dieser Veranstaltung von der AG »Schulgeschichte« aufgeblättert werden. Daher möchte ich den Blick auf die im Frühjahr 1933 beginnende Gleichschaltung mit ihren Auswirkungen und den für uns abzuleitenden Schlüsse lenken.

Im Frühjahr 1933, also vor 91 Jahren, trat das nationalsozialistische »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« in Kraft.

Wir blicken damit auch auf eine infame Lüge und auf ein bedrückendes Unrecht.

Wir erinnern an Unrecht hinter einer Maske von Gesetzlichkeit. Und wir erinnern an einen lügnerischen und widerwärtigen Missbrauch der Sprache. Auch der war ein Kennzeichen dieses Regimes.

Denn gar nichts wurde »wiederhergestellt« mit diesem Gesetz.
Sondern mit diesem Gesetz wurde in großem Ausmaß zerstört!

Zerstört wurden Recht, Gesetzlichkeit und Rechtsstaat; zerstört wurden Existenzen und Lebensentwürfe.

Jüdische Deutsche, Deutsche jüdischer Herkunft und politische Gegner wurden systematisch aus dem öffentlichen Dienst ausgeschlossen.

Das zeitgleich erlassene »Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft« hatte die entsprechenden Folgen für die Anwältinnen und Anwälte.

Es waren die ersten Monate der von den Nationalsozialisten selbst so genannten »Gleichschaltung«. Und die deutschen Beamten und die deutschen Juristen ließen sich vielfach willig gleichschalten.

Mit der Behauptung, das unbestechliche deutsche Berufsbeamtentum wiederherzustellen, knüpfte die Regierung geschickt an die bestehenden Vorurteile konservativer Kreise gegen die Weimarer Republik an.

Doch in Wahrheit begann die Parteiherrschaft im Staatsdienst erst mit diesem Sondergesetz vom 7. April 1933, das politisch missliebigen Staatsdienern ihre wohlerworbenen Rechte entzog und treue Anhänger der Bewegung losgelöst von ihrer Qualifikation in den Staatsdienst brachte.

Am härtesten traf es zunächst Kommunisten, die ausnahmslos und ohne Ruhegehalt entlassen wurden.

Ebenso galten Juden als untragbar, wie Paragraf 3 des besagten Gesetzes deutlich machte:

»Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, sind in den Ruhestand zu versetzen.«

Mit dem sogenannten »Arierparagrafen« wurde erstmals seit der Reichsgründung 1871 eine anti-jüdische Vorschrift in das deutsche Recht aufgenommen.

Niemand erhob seine Stimme für die diskriminierten jüdischen Staatsdiener – auch die konservativen Bündnispartner Hitlers schwiegen, hatten sie doch seit langem gefordert, den jüdischen Einfluss im Staat zurückzudrängen.

Hannah Arendt hat beklemmend eindrucksvoll nachgezeichnet, wohin der blinde Gehorsam, nicht nur bei den Beamten, im Nationalsozialismus geführt hat.

Und welche Lehren wir daraus ziehen müssen.

Kein Mensch, so lautet der auf den ersten Blick irritierende Satz von Arendt, hat das Recht zu gehorchen.

Das war ihre kraftvolle Absage an Kadavergehorsam und Herdentrieb.

Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen!

Damit meinte sie für den Dienst im NS-Regime:
Niemand kann sich unter Verweis auf Befehl und Gehorsam aus der eigenen Verantwortung stehlen. Mut zu eigenem Denken und zu eigenem Urteil, und notfalls der Mut, ja die Pflicht zum Widerspruch – das erwarten wir von allen Frauen und Männern, die sich in den Dienst unseres Staates stellen.

Blinder Gehorsam, das ist die Herrschaft des »Niemand«, wie Hannah Arendt es beschrieb. Kreativität, Loyalität und Verantwortung gerade auch für das eigene Tun, das ist der Gegensatz und muss die Grundlage des modernen Dienstrechts sein!

Das gilt auch für alle, die in den dunkelsten Stunden der deutschen Geschichte Menschen, wie Herrn und Frau Mackauer Unrecht zugefügt haben, weil sie die »Herrschaft des Niemand« über die Werte der Menschlichkeit, über das Recht und die eigene Verantwortung stellten.

Und so wurde Mackauers Frau Clara auf der Grundlage des § 4 des Reichsgesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums aus ihrer Stelle in der Bibliothek des Frankfurter Instituts für Sozialforschung entlassen.

Nach der herangezogenen Regelung des Gesetzes bot sie nicht die erforderliche Gewähr dafür, dass sie jederzeit und rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten werde.

Es war Willkür.

Und willkürlich ging man auch mit Christian Mackauer um, der auf der Grundlage des § 5 dieses unsäglichen Reichsgesetzes die Versetzung in ein anderes Amt derselben, oder der gelichwertigen Laufbahn, auch in ein solches von geringerem Rang und planmäßigen Diensteinkommen, hinnehmen musste.

Anknüpfungspunkt für die Anwendung des Gesetzes dürfte nach all dem was man weiß, die Tatsache gewesen sein, dass beide Elternteile der konfessionslosen Clara Mackauer, gebotene Oppenheimer, jüdisch waren.

Diese Norm eröffnete Vorgesetzen ungeahnte Spielräume, bei denen mir es schwerfällt, das Wort »Ermessen« zu verwenden. Sie schuf Grauzonen für die Beurteilung der Frage, ob Bedienstete entlassen und ihre Lebenslinien gebrochen wurden.

Der »Herrschaft des Niemand«, wie es Hannah Arendt ausdrückte, dürfen wir uns nie mehr unterordnen.

Lebensentwürfe dürfen nicht so gebrochen werden, wie im Falle von Clara und Dr. Christian Mackauer.

Dies erfordert Mut zum Widerspruch, Mut zur Haltung und erfordert Wissen und Einordnung desselben, so wie es sich die Goethe-Schule mit ihrer AG Schulgeschichte zur Aufgabe gemacht hat, um die nationalsozialistische Vergangenheit der Schule zu untersuchen.

»Zukunft braucht Herkunft«, so hat es der Philosoph Odo Marquard wie ich finde treffend formuliert.

Und mit der Aufarbeiten der Akte »Mackauer« arbeiten Sie an der Zukunft.

Denn: »Nie wieder ist jetzt«

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Grußwort von Laur Pauli
Es gilt das gesprochene Wort

Wird noch eingestellt.

Videoansprache der Professoren Elisabeth Clemens und Professor John Boyer von der Univesity of Chicago

Kern der Gedenkveranstaltung vor der Tafelenthüllung war die Präsentation der Rechercheergebnisse, die die »AG Schulgeschichte« der Goetheschule Wetzlar über eine mehrere Jahre dauernde Forschungstätigkeit zum Schicksal des Gymnasiallehrers Christian Wilhelm Mackauer herausgefunden hatte, nachdem sie im Schularchiv 2018 die »Akte Mackauer« aus den 1930er Jahren fand.

Gedenktafelenthüllung Tafel 18 für Christian Wilhelm Mackauer am 29.02.2024 an der Goetheschule

Auf dem Bild v.l.n.r.: Dr. Holger Sturm und die Schüler*innen: Hannah Fink, Till Schäfer, Hanna Kalder, Charlotte Hellhund und Peer Reis.
Bild: Ernst Richter © Wetzlar erinnert e.V.

Tafelansicht • Tafelstandorte • Informationen:

Um beim Ausdruck keine unangenehmen Überraschungen zu erleben, sollten Sie auf folgende Punkte achten:

  1. als Kopiervorlage befinden sich in Größe eines DIN A 4 Bogens zwei Einladungskarten.
  2. Der Ausdruck sollte auf weißem Papier bzw. Karton beidseitig erfolgen.
  3. Im Druckermenü bitte auf folgende Einstellungen achten:
    1. automatische Seitenanpassung abwählen, bzw. Originalgröße anwählen;
    2. Querformat auswählen;
    3. Außerdem »an der kurzen Kante spiegeln« auswähle.
  4. Dann lässt sich die Kopie / der Ausdruck exakt in zwei Karten schneiden
    (der Abstand an den Außenseiten garantiert, dass an den Rändern nichts verschluckt wird).
  5. Die Trennlinien rechts und links auf halber Höhe helfen, den exakten Schnitt zu meistern.
  6. Danach die Karte in der Mitte zusammenfalten und die vierseitige Karte im DIN A 6-Format ist fertig.