WETZLAR | Am 27. Oktober 2021 trafen sich 55 Menschen auf dem Hof vor dem Aldefeldschen Haus, um der Enthüllung der achten Gedenktafel zu den Ereignissen der NS-Zeit in Wetzlar beizuwohnen. Die von WETZLAR ERINNERT e.V. initiierten Tafeln sollen einmal auf 22 Schilder in der ganzen Stadt anwachsen. Damit soll im Alltag auf die Verbrechen der Nazis hingewiesen werden. Zu dem Kreis der Stifter dieser Tafel gehören neben dem Magistrat der Stadt Wetzlar und unserem Verein die Ernst Leitz Stiftung und die Wetzlarer Wohnungsgesellschaft. Bevor Dr. Oliver Nass (Ernst Leitz Stiftung), Harald Seib (WWG), OB Manfred Wagner und Irmtrude Richter die Tafel gemeinsam enthüllten, ergriffen die Tafelstifter das Wort.

Die Tafel steht am Fußgängerweg in der Straßenbiegung zwischen Haarbach- und Hausertorstraße. Sie widmet sich der Tatsache, dass zwischen 1941 und 1945 die Gestapo Frankfurt dort eine Verhöhrstelle eingerichtet hatte. Mit Hilfe des QR-Codes auf der Tafel gelangen Interessierte mit ihrem Smart-Phone oder Tablet-Rechner zu einer Informationsseite zum Tafelthema. In diesem Haus wurden eine Reihe von Wetzlarer*innen nicht nur verhört, sondern auch verhaftet und danach zumeist in das Polizeigefängnis Klapperfeld nach Frankfurt verbracht. Hier finden Sie die Statements von Dr. Oliver Nass, Harald Seib (WWG), OB Manfred Wagner und Ernst Richter, eine Fotostrecke von der Feierstunde sowie einen Pressespiegel von diesem Ereignis.

Zur Tafelenthüllung waren – neben Dr. Oliver Nass, Harald Seipp (WWG), OB Manfred Wagner, Irmtrude und Ernst Richter, Landrat Wolfgang Schuster, MdL Frank Steinraths, Stadtverordnete und Magistratsmitglieder, Angehörige der Familien Leitz und Kühn-Leitz, Vertreter*innen der Wetzlarer Wohnunsgesellschaft (der die Immobilie heute gehört) sowie die Geschäftführung der Ernst Leitz Wetzlar GmbH, der Deutsch-Französischen Gesellschaft, des Wetzlarer Geschichtsvereins und von WETZLAR ERINNERT gekommen. Auch zugegen waren Fevzi Korun von Demokratie Leben und das Wetzlarer Team der Profile GmbH (die das Aldefeldsche Haus heute für betreute Wohngemeinschaften nutzt) und vom DGB Anre Beppler, wowie Robin Mastronardi zugegen.

Ernst Richter (Vorsitzender von Wetzlar erinnert e.V.) begrüßte alle Anwesenden und erläuterte das Projekt »Gedenktfeln zu Ereignissen der NS-Zeit in Wetzlar« und befasste sich mit den Zielen und der Organisationsstruktur der GESTAPO (Geheime Staatspolizei) als staatlichen Spitzel- und Unterdrückungsapperates in der ab 1933 faschistisch gleichgeschalteten Deutschen Gesellschaft. Oberbürgermeister Wagner sprach zur Verantwortung unserer heutigen Gesellschaft, sich für die Demokratischen Grunderechte zu engagieren. Harald Seipp informierte die Anwesenden über die Geschichte des Aldefeldschen Hauses und Dr. Oliver Nass ging auf die Erlebnisse seiner Großmutter – Elsie Kühn-Leitz – ein, die 1943 im Aldefeldschen Haus verhört und verhaftet wurde. Dabei zitierte er Passagen aus Ihren Schriftlichen Erinnerungen über die Verhaftung und das Polizeigefängnis Klapperfeld in Frankfurt. Diese Reden können im Wortlaut nachgelesen werden im nachlaufenden Aufklappmenü

Anschließend bestand die Möglichkeit zu Gesprächen bei Getränken und Gebäck vom »Café am Rosengärtchen« auf dem Vorplatz des Aldefeld‘schen Hauses.

Begrüßung und Einführung durch Ernst Richter
Vorsitzender von WETZLAR ERINNERT e.V.

  • Sehr geehrter Herr Landrat,
    sehr geehrter Herr Oberbürgermeister;
  • sehr geehrte Damen und Herrn Stadtverordnete und Magistratsmitglieder;
  • sehr geehrter Herr Landtagsabgeordneter Steinraths;
  • liebe Tafelstifter und
    werte Angehörige aus dem Kreis der Familien Leitz und Kühn-Leitz;
  • sehr geehrte Vertreter der Unternehmen, die aus der ehemaligen Firma Leitz GmbH hervorgegangen sind;
  • meine Herrn von der Wetzlarer Wohungsgesellschaft;
  • liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger
    und Teammitglieder der Profile GmbH, die die Wohngruppen im Aldefeldschen Haus betreuen;
  • liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter von WETZLAR ERINNERT e.V.;
  • liebe Freundinnen und Freunde der Deutsch-französischen Gesellschaft und des Wetzlarer Geschichtsvereins;
  • Kolleginnen und Kollegen!

Ich hoffe, ich habe niemanden vergessen. Ich hätte auch gerne MdB Dagmar Schmidt begrüßt, sie lässt sich entschuldigen wegen Koalitionsverhandlungen in Berlin. Sie wünscht unserer Zusammenkunft einen guten Verlauf!

Meine Damen und Herrn!
WETZLAR ERINNERT e.V. hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Ereignisse zur NS-Zeit aufzugreifen und die damit verbundenen Verbrechen. Es geht uns darum, die Schicksale und das Leiden der Opfer aufzuzeigen, die Benennung der Täter und deren Interessen, aber auch, welch kostbares Gut – entstanden aus den bitteren Lehren bis 1945 – die Einleitung unseres GG darstellt: »Die Würde des Menschen ist unantastbar!«

Dieser Satz sollte für uns immer die Messlatte sein, wenn es um den Spannungsbogen zwischen Verfassungsanspruch und Verfassungswirklichkeit geht. In allen Fragen des Lebens!

Seit 18 Monaten interviewen wir hierzu gemeinsam mit dem Jugendvideoprojekt hessencam Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die als Kinder oder Jugendliche diese Zeit hier in Wetzlar erlebten. Wir hoffen – trotz der Pandemie – dieses Projekt bis Ende des Jahres abschließen zu können. Die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die uns heute noch mahnen, und die von ihren Erlebnissen noch berichten können, werden in absehbarer Zeit nicht mehr unter uns sein.

Deshalb hat es sich unser Verein zur Aufgabe gemacht, Impulse für eine aktive Erinnerungs- und Gedenkkultur zu initiieren. Geschichtsforschung nicht als Selbstzweck, sondern als Erkenntnisgewinn für die Gestaltung unserer Zukunft. Niemand kann uns heute für das verantwortlich machen, was damals geschah. Wir tragen aber gemeinsam eine Verantwortung dafür, dass sich derartiges niemals mehr wiederholt. Die Tatsache, dass die völkisch beseelte AfD bei der jüngsten Bundestagswahl in Sachsen und Thüringen fast alle Direktmandate als stärkste Kraft gewonnen hat, aber auch die inflationäre Zunahme rassistischer, neofaschistischer und antisemitischer Gewalt sind Grund genug dafür.

Dazu dient der »Weg der Erinnerung« – unsere Zeitreise durch das Wetzlar von 1933–1945 als eine antifaschistische Stadtführung – in der das Aldefeldsche Haus eine von 15 Stationen ist. Dazu sollen aber auch diese Gedenktafeln zu den Ereignissen aus der NS-Zeit dienen. Diese sollen im Alltäglichen darauf hinweisen: Faschismus ist keine Meinung – sondern ein Verbrechen!

Wenn es nach uns geht, werden spätestens in zwei Jahren 22 derartiger Tafeln im öffentlichen Raum der Stadt Wetzlar an die damaligen Ereignisse erinnern: An die Opfer und Opfergruppen, aber auch an die Täter und an die Ereignisse und die damit verbundenen Verbrechen, die nicht nur im fernen Auschwitz, Treblinka, Dachau oder Buchenwald stattfanden, sondern eben auch hier, in der eigenen Straße, in der eigenen Familie, Schule oder Firma. Die 90 x 70 cm großen Tafeln sollen auffallen, sind so gestaltet, dass man im Vorbeigehen die Botschaft erfassen kann. Und per QR-Code wird Interessierten die Möglichkeit geben, im Internet die dazugehörigen Hintergrundinformationsseiten aufzurufen.

Ja, wenn es nach uns ginge.

Aber es geht eben nicht alleine nach uns. Und unser kleiner Verein hätte hierzu auch nicht die Logistik, die geeigneten Orte und das Geld, dieses Projekt autonom stemmen zu können.

Und deshalb, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister und sehr geehrter Herr Landrat, sind wir der Stadt Wetzlar und dem Lahn-Dill-Kreis sehr dankbar dafür, dass die hiesigen Gebietskörperschaften uns entsprechende Zuschüsse aus dem Bundesprogramm »Demokratie leben« ermöglichen.

Dem Aufstellungskonzept zugrunde liegt, dass wir als Tafelstifter zum jeweiligen Thema der Gedenktafel versuchen, die Betroffenen, die Unternehmen, Organisationen bzw. Institutionen mit ins Boot zu holen, die einen Bezug zu dem jeweiligen historischen Ereignis haben, oder eben deren Nachfolgeunternehmen, -vereinigungen, -Institution oder deren Nachkommen. Aber auch diejenigen, die heutige Eigner bzw. Nutzer*innen der Liegenschaften und Immobilien sind, als Tafelstifter mitzugewinnen.

Unser Dank gilt deshalb genauso den weiteren Tafelstiftern, nämlich

  • der Wetzlarer Wohnungsgesellschaft,
    die die heutige Eignerin der Immobilie ist und für die ich stellvertretend Harald Seipp als Geschäftsführer begrüßen möchte
  • und die Ernst Leitz Stiftung,
    für die ich stellvertretend Dr. Oliver Nass begrüßen möchte.

Herr Dr. Nass – in Begleitung seiner Frau und seiner Tochter – hatte sicherlich die weiteste Anreise für unsere Zusammenkunft – nämlich aus Paris. Das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit und wir wissen das sehr zu schätzen, vielen Dank!

Herr Dr. Nass wird später erläutern, warum sich bei dieser Tafel die Ernst Leitz Stiftung und die Familien Leitz und Kühn-Leitz so stark engagieren. Nur so viel von meiner Seite dazu: Wir wüssten über die Tätigkeit der Gestapo in Wetzlar so gut wie nichts, hätte Elsie Kühn-Leitz nicht nach dem Krieg ihre schrecklichen Erinnerungen schriftlich niedergeschrieben und einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Erst hierdurch wurde überhaupt bekannt, dass die Gestapo an dieser Stelle, in diesem Haus eine Verhörstelle eingerichtet hatte.

D.h. auch: Hätte Frau Kühn-Leitz nicht den Mut gehabt, über ihre Verhaftung, ihre Erlebnisse, die damit verbundene Angst, aber auch Hoffnungen öffentlich zu reden, gäbe es diese Tafel nicht.

Meine Damen und Herrn,
wir haben vor etwa zweieinhalb Jahren in unmittelbarer Nachbarschaft eine ähnliche Tafel vor der Buderus-Villa enthüllt. Stifterinnen dieser Tafel sind Bosch-Thermotechnik (als Buderus-Nachfolgeunternehmen), die heutige Eignerin des Anwesens – die Scholz-Immobilien GmbH und das Haus Alois als heutige Nutzerin des Hauses als Klinik für Demenz-Kranke. Der Anlass für die Tafel: Zwischen 1933 und 1945 fungierte die Buderus-Villa als Sitz für die NSDAP-Kreisleitung im Altkreis Wetzlar.

Bei der Zusammentragung der Informationen für die dortige Website wurde allen Beteiligten bewusst, welche Allmacht die NSDAP in der faschistisch-gleichgeschalteten Gesellschaft hatte. Und zwar in allen gesellschaftlichen Bereichen, aber auch über die privatesten Angelegenheiten einzelner Menschen und ganzer Familien.

Kein Kredit der Sparkasse, der nicht mit einer Anfrage bei der NSDAP-Kreisleitung verbunden war, ob der Antragsteller auch kreditwürdig ist (man könnte auch sagen, eine Art politische Schufa). Keine Wohnungsvermietung, deren Mietvertrag nicht durch die NSDAP Kreisleitung abgenickt wurde. Dank einer Sammlung von Gerhild Kirschner aus Bondbaden haben wir hierfür zahlreiche Dokumente auf der Hintergrundinformationsseite der dortigen Tafel veröffentlichen können.

An dem Ort, an dem wir uns heute befinden, erhalten wir die Antworten darauf, wie die NSDAP in der Lage war, ihre Entscheidungen darüber zu treffen, ob des sich bei der angefragten Person um einen »anständigen Volksgenossen« oder eher um einen »Volksschädling« handelt (um es in der Terminologie des Nazi-Jargons auszudrücken). Hierzu brauchten sie die Gestapo.

Wesentliche Aufgaben der Gestapo waren die Überwachung der Gesellschaft und die Verfolgung der Gegner*innen des NS-Regimes.

Zunächst ging es um die, die aus politischen Gründen ausgeschaltet werden sollten: u.a. Kommunist*innen, Sozialdemokrat*innen sowie Gewerkschafter*innen. Später auch Liberale aus den bürgerlichen Parteien oder dem Zentrum. Dann die, die aus antisemitischen Motiven eliminiert werden sollten: Insbesondere Jüdinnen und Juden. Aber auch die, die als rassistisch definierte »Gemeinschaftsfremde« und »Asoziale« wie Sinti und Roma bezeichnet wurden.

In den ersten beiden Jahren ihres Bestehens wurden ca. 35.000 Menschen in SA-, SS- und Gestapo-Haftanstalten inhaftiert und erlitten Folterungen, Hunderte von ihnen wurden getötet. 1938 schwoll ihre Zahl auf zeitweise 60.000 Inhaftierte an.

War das Geheime Staatspolizeiamt 1933 mit unter 50 Mitarbeitern eine Stabsorganisation zur Koordination durchgeführter Unterdrückungsmaßnahmen gegen politische Gegner, bot die Gestapo ab 1935 ein anderes Bild.

  • 1935: Mit ungefähr 200 Mitarbeitern bildeten das Staatspolizeiamt und die Leitstellen ihren reichsweit ausgebauten Überwachungs- und Verfolgungsapparat.
  • 1937 ist eine Gesamtstärke von 7.000 Bediensteten anzunehmen.
  • Zu Beginn der Eroberungskriege waren es schon mehr als 10.000
  • 1941 werden 14.835 Gestapoangehörige auf den Gehaltslisten verzeichnet, rund 4.000 außerhalb des Reiches eingesetzt. Mit den Eroberungskriegen dehnt die Gestapo ihre Verfolgungsmaßnahmen nicht nur räumlich aus, sondern bekämpfte auch neue Gegnergruppen.
  • Unter den Gestapo-Beschäftigten waren in den 12 Jahren bis 1945 auch bis zu 10.000 Frauen. Allerdings nicht im Exekutivdienst, sondern als Bürokräfte in der Verwaltung tätig und nicht in Führungspositionen.
  • 1945: Am Ende des Dritten Reichs waren nicht weniger als 31.000 Menschen beschäftigt.

Hinzu kommen die V-Leute: V-Leute wurden von der Gestapo hauptsächlich in den gegenüber dem NS-Staat resistenten Gruppen wie der sozialdemokratisch oder kommunistisch geprägten Arbeiterschaft oder dem katholischen Milieu geworben.

Kein Kollegium, kein Betrieb, keine Schule oder Verein konnte sich sicher sein, nicht durch
V-Leute der Gestapo beschnüffelt zu werden. Während des Krieges rekrutierte die Gestapo auch V-Leute aus dem Kreis der Zwangsarbeiter, um diese Gruppe besser kontrollieren zu können. Als wichtigste Motive der V-Leute zur Mitarbeit sind Drohung mit Schutzhaft, materielle Vorteile und ideologische Überzeugung zu nennen.

Die Details dieses allmächtigen Terrorapparates können Sie auf der Hintergrundinformationsseite zu dieser Tafel in aller Ruhe selbst entnehmen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit

Meine Damen und Herrn!

Nun werden die weiteren Tafelstifter in folgender Reihenfolge zu uns sprechen:

  • Oberbürgermeister Manfred Wagner
  • Herr Seipp, für die Wetzlarer Wohnungsgesellschaft
  • Herr Dr. Nass, für die Ernst Leitz Stiftung und als Enkel von Elsie Kühn-Leitz

Danach werden wir gemeinsam die Tafel enthüllen. Nach der Tafelenthüllung sind sie gerne zum Gespräch bei warmen und kalten Getränken sowie Gebäck aus dem »LahnCafè am Rosengärtchen« eingeladen.

Manfred, Du hast das Wort!

Ansprache von Oberbürgermeister Manfred Wagner
zur Enthüllung der Gedenktafel vor dem „Aldefeldschen Haus“ am 27. Oktober 2021

Es gilt das gesprochene Wort

Anrede

»Zukunft braucht Herkunft«. Dieses Wort hat der 2015 verstorbene Philosoph Odo Marquard geprägt, der lange an der Justus-Liebig-Universität Gießen lehrte.

Und in der festen Überzeugung, dass für das Gestalten unserer Zukunft die Kenntnis über unsere Herkunft, das Wissen über unsere Geschichte unabdingbar ist, bin ich sehr erfreut und zutiefst dankbar, dass es sich der Verein Wetzlar erinnert e.V. mit seinem großartigen und beharrlichem Engagement zur Aufgabe gemacht hat, Fakten zu benennen, Geschehenes zu dokumentieren, nichts zu beschönigen und die Erinnerung wach zu halten, damit sich deutscher Faschismus nicht wiederholt.

Einer der wertvollen Beiträge des Vereins steht unter der Überschrift »Erinnern im Alltag«.

Und damit sind unter anderem die inzwischen bereits aufgestellten sieben Gedenktafeln angesprochen, denen heute hier am »Aldefeldschen Haus« eine weitere Tafel hinzugefügt wird.

Insgesamt werden es einmal mehr als 20 Stationen in unserer Stadt sein, die gemeinsam mit anderen Stationen, wie zum Beispiel den »Stolpersteinen«, im Alltag zum Erinnern und zur Auseinandersetzung mit den dunkelsten Stunden der deutschen Geschichte einladen.

Denn der deutsche Faschismus war eben nicht ein Ereignis, das »Anderswo« stattgefunden hat, mit dem man im beschaulichen Wetzlar nichts zu tun hatte.

Wie so oft, den Ort »Anderswo«, der uns heute in vielen Diskussionen begegnet, den gibt es nicht und den gab es auch in der Zeit des Nationalsozialismus nicht.

Auch hier vor Ort, in unserer kleinen Stadt, wo Menschen sich der Nazi-Ideologie verpflichtet und mithin ermächtigt sahen,

  • ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger zu schikanieren,
  • sie ihrer Menschenrechte zu berauben,
  • Menschen der Zwangsarbeit zu unterwerfen,
  • die Würde von Menschen mit Füßen zu treten, weil sie als Teil unseres vielfältigen menschlichen Daseins nicht der von den Nazis ausgegebenen Norm entsprachen,
  • Menschen, deren Leben als »unwertes Leben« stigmatisiert wurde, zu schädigen und sie gar bestialisch zu ermorden.

Sehr geehrte Damen und Herrn,
ich war in der vergangenen Woche wieder einmal in Weimar und in Buchenwald.

Die Eindrücke, die man bei Besuchen in ehemaligen Konzentrationslagern gewinnt, verlangen einem immer wieder alles ab, sie lassen einem fragend zurück und sie fordern mit Nachdruck dazu auf, alles zu tun, damit sich Geschichte nicht wiederholt.

In der aktuellen Ausstellung in Buchenwald sind auch Worte Überlebender dokumentiert, so auch von Benedikt Kautsky, dem Sohn des bekannten Sozialdemokraten Karl Kautsky.

Ich zitiere:

»Die menschliche Natur wird man nicht ändern. Der Mensch trägt in sich die Ansätze zum Bösen, wie zum Guten – es gilt die Umstände zu schaffen, unter denen Achtung vor der fremden Persönlichkeit, Selbstverantwortung und Rücksicht auf die Rechte der anderen zur Selbstverständlichkeit werden.«

Dieses Wort von Kautsky, der auch zu den Verfassern des Buchenwalder Manifestes gehörte, hat nach wie vor Bestand.

Es ist nach wie vor Verpflichtung und in Zeiten wie diesen gilt es mehr denn je, Umstände zu schaffen, unter denen Achtung vor der fremden Persönlichkeit, Selbstverantwortung und Rücksicht auf die Rechte der anderen zur Selbstverständlichkeit werden.

Viele der Menschen, die sich den Schergen in Konzentrationslagern ausgeliefert fanden, die dort ihr Leben verloren, oder für immer gesundheitliche Schäden davon trugen, waren Opfer der Geheimen Staatspolizei mit ihrem Netz an Gefängnissen, Verhörstellen und Spitzeln.

Eine solche Verhörstelle fand sich in den Kriegsjahren auch in dem Aldefeldschen Haus.

Häuser vermögen Geschichten zu erzählen.

Das Wohnhaus wurde im Jahre 1775 von dem Wetzlarer Stadtrat Peter Schneider in der Vorstadt Hausen als Gartenhaus errichtet und war ursprünglich von einem großen Garten umgeben, der sich von der Lahn bis weit auf den Lahnberg hinauf zog. Als Vertreter des heutigen Eigentümers, unserer Wetzlarer Wohnungsgesellschaft, wird ihr Geschäftsführer Harald Seipp noch einige Erläuterungen geben.

Und in der Geschichte dieses fast 250 Jahre alten Hauses waren die Jahre, die es von der Geheimen Staatspolizei genutzt wurde, sicherlich die schrecklichsten.

Das musste auch Elsie Kühn-Leitz, die in diesem Haus gemeinsam mit ihrem Vater wegen des Vorwurfes »Fluchthilfe für eine Jüdin« von der Gestapo verhört wurde, leidvoll erfahren.

Sie hat in ihren Erinnerungen darüber berichtet.

Darauf wird sicherlich Herr Dr. Nass in seiner Ansprache hierauf noch eingehen.

Die Kenntlichmachung dieses Ortes und das Aufzeigen seiner Bedeutung in der Zeit des Nationalsozialismus fordert dazu auf, sich zu erinnern, sich mit der jüngeren Geschichte zu befassen.

Sie stellt einen Beitrag dazu dar, die Umstände zu schaffen, von denen Benedikt Kautsky sprach: Umstände, unter denen Achtung vor der fremden Persönlichkeit, Selbstverantwortung und Rücksicht auf die Rechte der anderen zur Selbstverständlichkeit werden.

Das Aufstellen dieser Gedenktafel ist ein Beitrag, um sich der eigenen Herkunft zu vergewissern, damit wir in Verantwortung in der Gegenwart leben und die Zukunft gestalten können.

Gerne haben wir gemeinsam mit unserer Tochter, der Wetzlarer Wohnungsgesellschaft, einen Beitrag dazu geleistet, um Menschen dazu aufzufordern, alles dafür zu tun, damit sich Geschichte nicht wiederholt.

Denn wir sind – um es mit Molière zu sagen – nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.

 

Es gilt das gesprochene Wort

Die Rede wird in Kürze hier erscheinen

Ansprache zur Enthüllung der Gedenktafel
in Erinnerung an die Verhaftung von Elsie Kühn-Leitz, Aldefeldsches Haus, der damaligen Gestapo-Außenstelle in Wetzlar

Es gilt das gesprochene Wort

Dr. Oliver Nass, Vorsitzender der Ernst Leitz Stiftung

»Ich habe mich vielleicht gegen ein von Menschen aufgestelltes Gesetz vergangen, aber niemals gegen das göttliche Gesetz, denn vor Gott sind alle Menschen gleich, ob Juden, Christen oder Heiden. Das Gesetz der Menschlichkeit hat mich zu diesem Tun veranlaßt. Ich habe nichts zu bereuen.«

Das waren die Worte von Elsie Kühn-Leitz, meiner Großmutter, am Ende ihres Verhörs in der Wetzlarer Gestapo-Außenstelle hier im Aldefeldschen Haus am 10. September 1943. Der aus Frankfurt dazugekommene Gestapo-Beamte Gabusch entgegnete ihr, dass sie sich wohl darüber klar sei, von diesem Moment an kein freier Mensch mehr zu sein, sondern verhaftet zu werden und sofort nach Frankfurt ins dortige Gestapo-Gefängnis zu kommen.

Was für ein Mut, sich noch selbst im Gestapo-Verhör zu seiner Tat und seinen Überzeugungen der Humanität zu bekennen! Wie Herr Richter eingangs erwähnte, verdanken wir es Elsie Kühn-Leitz‘ Auf­zeichnungen, die sie nach Ende des Nazi-Regimes zu Papier brachte, dass wir den historischen Verlauf dieser Geschichte, einer Geschichte von Mut und Einstehen für Menschlichkeit in Zeiten des Nazi-Terrors kennen und weitererzählen können. Und daher möchte ich in meinem Beitrag, sehr verehrte Ehrengäste aus dem öffentlichen Leben, der Unternehmen und Vereinigungen sowie der Familie Leitz, vor allem hierauf – und immer wieder auch mit ihren Worten – eingehen.

Mit ihrer Aussage zum Ende des Verhörs übernahm meine Großmutter zugleich die alleinige Verantwortung für die versuchte Fluchthilfe für die »Halbjüdin« Hedwig Palm aus Wetzlar, die von ihr zusammen mit ihrem Vater, Ernst Leitz II, ihrer Tante aus München, Ella Bocks, sowie Julie Gerke, die ein paar Wochen vorher bei der Familie Leitz im Haus Friedwart gewohnt hatte, organisiert wurde. Hedwig Palm und Julie  Gerke waren – nach einem mehrwöchigen Unterschlupf in der Wohnung Ella Bocks‘ – am 4. Juli 1943 schon fast an der Schweizer Grenze, vertrauten sich einem Milchmann an, um ihnen den Weg zu zeigen und wurden von eben diesem verraten und an die deutsche Grenzpolizei überführt. Beide wurde verhaftet. Hedwig Palm wurde kurz danach ins Gestapo-Gefängnis nach Frankfurt verlegt und am 11. November 1943 in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert und von dort ins Lager Uckermark, wo sie kurz vor Kriegsende verstarb.

Julie Gerke wurde am 5. August zu acht Wochen Gefängnis verurteilt, dann aber am 3. September von der Gestapo verhört, denen sie die Verantwortlichen für die gescheiterte Fluchthilfe nannte; man habe auf sie eingewirkt. Sie ließ sich zur Gestapo-Informantin anwerben, der sie dann wieder von Wetzlar aus weiter zuarbeitete, immer wieder auch mit Anschuldigungen gegen die Familie Leitz. Julie Gerkes Stellungnahme führte zugleich zur folgenreichen Vorladung meiner Großmutter und ihres Vaters in die Gestapo-Außenstelle im Aldefeldschen Haus. Hierzu schreibt Elsie Kühn-Leitz:

»Mein Vater und ich fuhren also an jenem 10. September um 2 Uhr nachmittags mit dem Auto zur Gestapo. Die Gestapo war damals in einem alten Haus, das noch aus der Goethezeit stammt, unter­gebracht. Dieses Haus liegt gegenüber von unserem Häusertor­werk ganz im Schatten eines Parks, rings von dunklen Bäumen umgeben. Es hatte schon seit meiner Kindheit etwas Bedrückendes und Dunkles für mich an sich, und ich entsinne mich sehr wohl, daß es mich oft in meinen Kinderträumen verfolgte und ich dieses Haus von Jugend an verabscheute. Es hieß das ‚Aldefeld‘sche Haus‘ nach seiner Familie, der es einstmals gehörte. Zunächst wurde mein Vater allein vernommen. An der Vernehmung durfte ich nicht teilnehmen. Nach etwa zwei Stunden des Wartens, die unendlich lang erschienen, kam ich daran. Es waren zwei Wetzlarer und ein Frankfurter Beamter der Gestapo, der Kommissar Gabusch, anwesend. Ich wurde nun zu den Einzelheiten des Falles Palm vernommen und mir wurde klargemacht, daß ich eine Todsünde gegen das Dritte Reich begangen hätte, indem ich eine Jüdin, einen Erzfeind des Führers und des Dritten Reiches, unterstützt hätte.«

Nach Kommissars Gabuschs »Urteil« wurde Elsie Kühn-Leitz vor der Fahrt ins Frankfurter Gefängnis in der Klapperfeldstraße ins Haus Friedwart begleitet, um ein paar Sachen mitnehmen zu können. Ihre damals 4- bis 7-jährigen Kinder, also meine Mutter, mein Onkel und meine Tante, waren gerade im Bad, als sie begleitet von zwei Männern mit langen schwarzen Mänteln eintrat und ihnen verkündete, dass sie »für ein paar Tage nach Frankfurt« müsse. Die Kinder spürten sofort, dass etwas Schlimmes drohte.

Eine Einweisung ins Gestapo-Gefängnis wegen »versuchter Fluchthilfe für eine Jüdin und übertriebener Humanität«, der sie zusätzlich beschuldigte wurde, weil sie sich täglich um das Wohl der Zwangs­arbeiter­innen gekümmert hatte, in dem sie z. B. Nahrungsmittel, Medikamente, Bücher oder Spielezug mitbrachte und dort viel Zeit mit den Frauen und Kindern verbrachte, führte nicht »für ein paar Tage« ins Gefängnis, sondern definitiv dorthin – ohne irgendeinen Prozess und mit hoher Wahrscheinlichkeit von dort zur Deportation ins Konzentrationslager.

Im Gefängnis in der Klapperfeldstraße war auch Hedwig Palm, ohne dass die beiden sich begegnen konnten. Meine Großmutter beschreibt in ihren Aufzeichnungen ausführlich den Alltag unter schwersten Bedingungen: die quälende Ungewissheit, wie es weitergeht, die Angst vor erneuten Verhören, Bestrafungen und schließlich der Deportation, die schlaflosen Nächte mit in Nachbarzellen heulenden oder schreienden Frauen und den nächtlichen Bomben­angriffen, während derer alle in ihren Zellen um ihr Leben bangten, die perfiden Schikanen, um die Gefangenen weiter zu entwürdigen, die unendlich erscheinende Einsamkeit, die Momente der Todessehnsucht, aber auch die der Solidarität unter den Gefangenen:

»Wenn jemand das Herz auf dem richtigen Fleck hat, so versucht er, den anderen Leidensgenossen bei jeder nur passenden Gelegenheit etwas Trost und kleine Hilfeleistungen zukommen zu lassen, sei es durch ein freundliches Wort, das man den anderen auf dem Gange zuflüstert, durch ein Stück Brot, das man sich gegenseitig verstohlen beim Hinausführen in den Hof schenkt, durch Austausch von Nachrichten, soweit das möglich ist, usw. Es gab einige Frauen, deren Ehemänner in Frankfurt/M. wohnten. Sie kamen dann abends zu einer bestimmten Stunde in die Nähe des Gefängnisses und pfiffen oder sangen ein Lied, bis es die Frauen hörten. Wenn dann gerade kein Aufsichtspersonal in der Nähe war, versuchten die Frauen ihrerseits mit einem Lied, gesungen oder gepfiffen, zu antworten.«

Meine Großmutter hätte sicherlich das gleiche Schicksal wie Hedwig Palm ereilt, wäre es ihrem Vater nicht gelungen, sie mithilfe vom Direktor der deutschen Reichsautobahn Willy Hof und gegen Zahlung einer hohen Summe freizubekommen. Ihr Bruder Ludwig Leitz, dessen Sohn – Ernst Michael Leitz – heute auch unter uns ist, hatte hier auch unter Aufnahme nicht unerheblicher Gefahren mitvermittelt.

Elsie Kühn-Leitz entkam also dem Todesurteil. Am 28. November 1943 sahen die Kinder ihre abgemagerte, zerzauste Mutter, die gemäß ihres Schwurs, im Falle eines Wunders der Rettung, die Eingangstreppen zum Haus Friedwart nicht hinaufging, sondern kniend hinaufrutschte. Ich weiß von meiner Mutter, wie tief sich dieses Bild ins Gedächtnis für immer eingebrannt hat.

Meine Großmutter war dankbar und zugleich vollkommen erschöpft und musste medizinisch behandelt werden. Die Betreuung des Lagers der Zwangsarbeiter wurde ihr untersagt und sie stand bis zu Kriegsende unter fortwährender Beobachtung der Nazis mit regel­mäßigen Vorladungen durch die Gestapo. Auch der Gesundheits­zustand ihres Vaters hatte mit diesem Erlebnis stark gelitten, so sehr hatte es ihn mitgenommen. Er wurde wenig später dann vor das Parteigericht wegen »Judenbegünstigung« zitiert.

1946 schreibt Elsie Kühn-Leitz ihre Geschichte auf, die sie für den Rest ihres Lebens geprägt hat:

»Völlig wird das Vergessen jedoch bei keinem dieser Menschen möglich sein, die in den vergangenen Jahren so viel zu erleiden hatten, denn sie sind alle gestempelt, seelisch und körperlich. Es ist wie ein geistiges Muttermal, das sich während des ganzen späteren Lebens nicht verwischen läßt, genauso wie alle diejenigen den Krieg niemals vergessen werden, die ihn in seiner Grausamkeit und Unerbittlichkeit auskosten mußten.«

Die Erfahrung der Inhaftierung war für Elsie Kühn-Leitz zugleich eine lebenslange Motivation, Verfolgten, so auch vielen Familien aus Afrika, und Menschen in Not, gerade auch im Wetzlarer Raum, zu helfen, sich für die Kultur als menschen­verbindendes Element, für Völkerver­ständi­gung und Frieden in Europa einzusetzen; hierzu zählen ihr Engagement für die deutsch-französische Verständigung oder auch die Wetzlarer Kultur­gemeinschaft. Ich freue mich daher besonders über die Präsenz der Vorstände aus der Vereinigung Deutsch-Französischer Gesellschaften für Europa, der Deutsch-Französischen Gesellschaft Wetzlar und der Wetzlarer Kulturgemeinschaft.

Die Ernst Leitz Stiftung, dessen Vorsitz ich von meinem Onkel, Knut Kühn-Leitz, nach seinem Tod im letzten Jahr übernommen habe, bemüht sich im Andenken an die Ehrenbürger Ernst Leitz I, Ernst Leitz II und Elsie Kühn-Leitz um den Erhalt des denkmalgeschützten Haus Friedwarts und in der Tradition der Familie um Kultur und Völkerverständigung. Das von Wetzlar Erinnert initiierte Projekt unterstützen wir damit gerne und aus tiefer Überzeugung. Die Gedenktafel, die wir heute hier einweihen, erzählt eine Geschichte von einer Stimme der Menschlichkeit und Widerstand gegen ein Terrorregime, das so viel Unheil auf Deutschland und die Welt gebracht hat.

Es ist eine Geschichte, die wir uns immer wieder erzählen sollten, die uns einen Kompass auch für unsere heutige Zeit mit ihren Anzeichen steigendem Extremismus bietet. Geschichte ist nicht abstrakt, sie wird von Menschen gemacht, in einem Spektrum, das von bestialischer Brutalität bis zu selbstloser Humanität reicht. Lassen Sie uns daher auch dank dieser Gedenktafel die Geschichte des Aldefeldschen Hauses und der meiner Großmutter für künftige Generationen weitererzählen.

Möge diese Gedenktafel viele Menschen, die sie entdecken und sich vielleicht auch über den QR-Code weiter damit auseinandersetzen, zur Beschäftigung mit unserer Vergangenheit und ihrer Lehren anregen! Mögen wir alle uns davon inspirieren lassen und »Flagge zeigen«, wenn es darauf ankommt, ob im persönlichen Gespräch oder in der Welt der sozialen Medien. In diesem Sinne möchte ich noch einmal Wetzlar Erinnert und insbesondere Herrn Richter, der Stadt Wetzlar, unseren Mitstiftern für die Unterstützung dieses Projektes und Ihnen allen für Ihre Anwesenheit danken.

Ich möchte schließen mit den Worten Albert Schweitzers, dem großen Philosophen, Theologen, Organisten und Urwalddoktor, mit dem meine Großmutter eine tiefe Freundschaft verband und der daher auch hier in Wetzlar war:

„In keiner Weise dürfen wir uns dazu bewegen lassen, die Stimme der Menschlichkeit in uns zum Schweigen bringen zu wollen. Das Mitfühlen mit allen Geschöpfen ist es, was den Menschen erst wirklich zum Menschen macht.“

Die kursiv gesetzten Textpassagen sind (bis auf die letzte von A. Schweitzer) Zitate aus den Verschriftlichungen von Elsie Kühn-Leitz

Bilder © Robin Mastronardi (DGB)

Die Tafel steht am Fußgängerweg in der Straßenbiegung zwischen Haarbach- und Hausertorstraße. Sie widmet sich dem Fakt, dass zischen 1941 und 1945 die Gestapo Frankfurt dort eine Verhöhrstelle eingerichtet hatte. Mit Hilfe des QR-Codes auf der Tafel gelangen Interessierte mit ihrem Smart-Phone oder Tabelt-Rechner zu einer Informationsseite zum Tafelthema. In diesem Haus wurden eine Reihe von Wetzlarer*innen nicht nur verhört, sondern auch verhaftet und danach zumeist in das Polizeigefängnis Klapperfeld nach Frankfurt verbracht. Hier finden Sie die Statments von Dr. Oliver Nass, Harald Seib (WWG), OB Manfred Wagner und Ernst Richter, eine Fotostrecke von der Feierstunde sowie einen Pressespiegel von diesem Ereignis.

Zur Tafelenthüllung waren – neben Dr. Oliver Nass, Harald Seipp (WWG), OB Manfred Wagner, Irmtrude und Ernst Richter, Landrat Wolfgang Schuster, MdL Frank Steinraths, Stadtverordnete und Magistratsmitglieder, Angehörige der Familien Leitz und Kühn-Leitz, Vertreter*innen der Wetzlarer Wohnunsgesellschaft (der die Immobilie heute gehört) sowie die Geschäftführung der Ernst Leitz Wetzlar GmbH, der Deutsch-Französischen Gesellschaft, des Wetzlarer Geschichtsvereins und von WETZLAR ERINNERT gekommen. Auch zugegen waren Fevzi Korun von Demokratie Leben und das Wetzlarer Team der Profile GmbH (die das Aldefeldsche Haus heute für betreute Wohngemeinschaften nutzt) und vom DGB Anre Beppler, wowie Robin Mastronardi zugegen.

Ernst Richter (Vorsitzender von Wetzlar erinnert e.V.) begrüßte alle Anwesenden und erläuterte das Projekt »Gedenktfeln zu Ereignissen der NS-Zeit in Wetzlar« und befasste sich mit den Zielen und der Organisationsstruktur der GESTAPO (Geheime Staatspolizei) als staatlichen Spitzel- und Unterdrückungsapperates in der ab 1933 faschistisch gleichgeschalteten Deutschen Gesellschaft. Oberbürgermeister Wagner sprach zur Verantwortung unserer heutigen Gesellschaft, sich für die Demokratischen Grunderechte zu engagieren. Harald Seipp informierte die Anwesenden über die Geschichte des Aldefeldschen Hauses und Dr. Oliver Nass ging auf die Erlebnisse seiner Großmutter – Elsie Kühn-Leitz – ein, die 1942 im Aldefeldschen Haus verhört und verhaftet wurde. Dabei zitierte er Passagen aus Ihren Schriftlichen Erinnerungen über die Verhaftung und das Polizeigefängnis Klapperfeld in Frankfurt. Diese Reden können im Wortlaut nachgelesen werden im nachlaufenden Aufklappmenü

Anschließend bestand die Möglichkeit zu Gesprächen bei Getränken und Gebäck vom »Café am Rosengärtchen« auf dem Vorplatz des Aldefeld‘schen Hauses.

hr 4 – Hörfunknachrichten für Mittelhessen am 27.10.2021

Von Marcus Narloch, veröffentlicht am 27.10.21 um 12:30 Uhr, Quelle: © Hessischer Rundfunk