Anpassung & Widerstand
Die Kirchen zwischen 1933 und 1945
Evangelisches Gemeindehaus (Kirchgasse 8) und Gertrudishaus (Kirchgasse 4)

Als den Faschisten 1933 die Macht übertragen wurde und sie die evangelischen Christen zu einer großen Volkskirche vereinen wollten, wurde dies von der heimischen Pfarrerschaft zunächst weitgehend begrüßt. Zum Pfingstfest 1933, dem »Geburtstag der Kirche«, zogen BDM-Mädchen mit Hakenkreuzfahnen in Hochelheim (Kirchenkreis Wetzlar) ein, wo Pfarrer Paul Schneider einen Feldgottesdienst hielt.

Doch schon im Dezember 1933 schloss dieser sich dem »Pfarrernotbund« an, dem Vorläufer der »Bekennenden Kirche«, einer Oppositionsbewegung evangelischer Christen, zu der auch Martin Niemöller und Dietrich Bonhoeffer gehörten. Bald darauf legte er sich mit der NSDAP-Gauleitung in Frankfurt an. Als er in einer Predigt im Januar 1934 forderte, die Kirche solle sich nicht den politischen Maximen der NSDAP-Regierung unterordnen, wurde ihm zum ersten Mal »Schutzhaft« angedroht. Paul Schneider wurde beurlaubt, verließ Hochelheim im April 1934 und übernahm eine neue Pfarrstelle in Dickenschied im Hunsrück. Aber auch dort gab er seinen Widerstand gegen das Nazi-Regime nicht auf und wurde schließlich am 27. November 1937 in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Am 18. Juli 1939 wurde er ermordet – vermutlich durch eine ihm verabreichte Überdosis eines Herzmittels.

Trotz des Reichskonkordats machten die Nazis 1933 nicht vor den damals 2.650 Wetzlarer Katholiken Halt. Die Fronleichnamsprozessionen durften nur noch rund um den Dom gehen und wurden dann ganz verboten. Die Aktivitäten der katholischen Vereine wurden beschnitten und Teilnehmer am Sonntagsgottesdienst anschließend registriert und oft von der Hitlerjugend angepöbelt. Im Gertrudishaus (Kirchgasse 4) unterhielten die »Dernbacher Schwestern« einen Kindergarten für siebzig Kinder und ein Waisenhaus. Dem Haus wurden sämtliche Zuschüsse gestrichen. Durch die persönliche Unterstützung Wetzlarer Bürger, besonders der Familie Ernst Leitz, konnten die Dernbacher Schwestern jedoch weiter arbeiten.