Schändung durch Nutzung der Grabsteine als Treppenstufen für einen Splitterbunker
Jüdisches Leben in Wetzlar
Steighausplatz

Für die Stadt Wetzlar ist bereits mit der »Kaiserurkunde« vom 9. Juli 1277 belegt, dass es in der Stadt Juden – wenn auch nicht in einem eigenen Viertel – gegeben hat.

Spätestens seit dem Ende des 17. Jahrhunderts hatten die Wetzlarer Juden einen eigenen Friedhof. Er lag – bezeichnenderweise am Rande der Stadt – im »Zwinger« inmitten der hier doppelten Stadtmauer (zwischen dem heutigen Karl-Kellner-Ring und dem Steighausplatz) und hatte eine Größe von 789 m². Am 16. Juni 1881 wurde er durch den Neuen Jüdischen Friedhof an der heutigen Bergstraße ersetzt. Eine letzte Bestattung auf dem alten Friedhof fand noch am 21. Oktober 1900 statt. An diesem Tag wurde Helene Flörsheim an der Seite ihres bereits 1876 verstorbenen Ehemannes Hermann Flörsheim beigesetzt. Die Grabsteine der beiden Eheleute sind heute noch vorhanden. Wie bis ins 19. Jahrhundert üblich, tragen die älteren Grabsteine des Friedhofs hebräische Inschriften.

Zu Beginn der Nazi-Herrschaft dürften noch etwa 150 Grabsteine vorhanden gewesen sein. Einer von ihnen erinnert an Henriette Budge, die Schwägerin des Bankiers Moritz Budge, nach dem in Wetzlar auch eine Straße benannt ist. Heute befinden sich auf dem Friedhof noch 52 Grabsteine einschließlich aller Fragmente. 1943 wurde mit Billigung der Nazis »zum Schutz der Bevölkerung gegen Bombenangriffe« auf dem Gelände des alten Judenfriedhofs ein »Splitterbunker« angelegt. Dabei wurden viele der Gräber geschändet, indem man die Grabsteine als Treppenstufen verwendete.

Auf dem neuen Jüdischen Friedhof an der heutigen Bergstraße fanden zwischen dem 2. November 1881 und dem 24. Februar 1940 insgesamt 138 Bestattungen statt. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgten in den Jahren 1946 bis 1949 noch einmal 45 Bestattungen von Verstorbenen aus den Wetzlarer Lagern für »Displaced Persons«, in denen meist aus Polen stammende Juden auf ihre Ausreise nach Palästina warteten. Seit 1989 erinnert dort ein Gedenkstein an die 54 aus Wetzlar deportierten und ermordeten Juden.