Die Ermordung des polnischen Zwangsarbeiters Wladislaw Kaczmarek
Gedenktafel im Wald zwischen Hohenahr, Waldgirmes und Biebertal
Dort wurde 2017 vom Heimat- und Kulturverein Hohenahr auf einem Baumstumpf eine Gedenktafel montiert.
Wir möchten an die verbrecherische Tötung eines polnischen Zwangsarbeiters im April 1942 erinnern. Wladislaw Kaczmarek starb mit 21 Jahren aufgrund des NS-Rassenwahns.
Seit Oktober 2017 gibt es am Ort des Geschehens eine Bildplakette mit Text auf einem Baumstumpf als Mahnmal, errichtet vom Heimat- und Kulturverein Hohenahr. Kaczmarek fiel einer »Sonderbehandlung« (so bezeichnete die Gestapo ihre Morde) wegen »Rassenschande« zum Opfer.
Um genaueres über das Schicksal von Wladislaw Kaczmarek zu erfahren, klicken Sie auf die nachfolgenden Aufklappfelder:
Hinweis zum Bild auf der Gedenktafel:
Hier handelt es sich nicht um eine Bildaufnahme von der Hinrichtung Wladislaw Kaczmareks. Hierüber gibt es keine Bilder.
Der Heimat- und Kulturverein entschied sich dafür, die Tafel zu illustrieren und hierzu ein Bild aus dem Archiv der Gedenkstätte Buchenwald über eine ähnliche Hinrichtung zu nutzen.

Heute können sich jüngere Generationen kaum noch vorstellen, wie die NS-Tötungsmaschinerie funktionierte und Polizisten für das rassistische Morden eingesetzt und missbraucht wurden.
Den Deutschen bläute man mit Aushängen, Flugblättern und Zeitungsartikeln ein, sich von »den Polen fernzuhalten«. Die Einheimischen sollten die zur Abschreckung dienenden rassistischen Maßnahmen gegenüber Fremdarbeitern als rechtens und gut für Deutschland ansehen. Aber diese waren Unrecht.

Aus: »Merkblatt (1940) als Handlungsanleitung für Deutsche zum Umgang mit Polen«. Mit derartigen Merkblättern wollte die NS-Regierung den Argwohn der deutschen Bevölkerung gegen die polnischen Fremdarbeiter schüren. Was durchaus in vielen Fällen gelang. Quelle: Bundesarchiv, Berlin
Nach der militärischen Besetzung Polens im Jahre 1939 wurden viele polnische Zivilisten und Kriegsgefangene nach Deutschland verschleppt, wo sie in Industriebetrieben und der Landwirtschaft arbeiten mussten. Polnische Saisonarbeiter gab es zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahren. Tausende Zivilisten folgten zwangsweise. Der gern gesehene polnische Saisonarbeiter wurde zum Zwangsarbeiter im »NS-Ausländereinsatz«. Alle wurden gemäß der NS-Rassenideologie als »rassisch minderwertige Ausländer« angesehen und galten gleichzeitig als Feinde des Deutschen Reichs.
Klick auf das Bild öffnet den Text der gesamten Anordnung
Quelle: Lebendiges Museum online (Lemo) © Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Mit den Erlassen der Reichsregierung vom 8. März 1940, den so genannten Polen-Erlassen, schuf die nationalsozialistische Reichsregierung per Polizeiverordnung ein Sonderrecht. Darin wurden polnische Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkriegs diskriminierenden Vorschriften unterworfen. In einem nur zum Dienstgebrauch bestimmten Merkblatt wurden in deutsch und polnisch die
»Pflichten der Zivilarbeiter und -arbeiterinnen polnischen Volkstums während ihres Aufenthaltes im Reich«
festgehalten. Der Inhalt musste den neu ankommenden Arbeitskräften mündlich mitgeteilt werden.
Punkt 9:
»Wer mit einer deutschen Frau oder einem deutschen Mann geschlechtlich verkehrt oder sich ihnen sonst unsittlich nähert, wird mit dem Tode bestraft.«
Angesichts dringend benötigter Arbeitskräfte für Kriegsproduktion und Landwirtschaft kam den Nazis Anfang 1941 eine neue Idee, ob ein produktiv arbeitender Pole dem Deutschen Volk mehr nützen könnte, als ein gehängter, der mit einer deutschen Frau geschlafen hatte.
»In zahlreichen Fällen wurde festgestellt, dass polnische Zivilarbeiter, die wegen unerlaubten Geschlechtsverkehrs zur Sonderbehandlung vorgeschlagen worden sind, nordischen Rasseeinschlag aufweisen, gut aussehen und charakterlich sehr günstig beurteilt werden. Derartige Personen eignen sich unter Umständen für eine Eindeutschung […]«
Der zwanzigjährige Pole Wladislaw Kaczmarek kam 1940 als Zwangsarbeiter auf einen hessischen Bauernhof, den »Hof Moritzburg« in Königsberg (heute Ortsteil von Biebertal), wo damals auch die 17-jährige Ilse Kamp bei der Familie des Landwirtes Gustav Walch arbeitete. Die Liebesbeziehung der beiden blieb nicht ohne Folgen. Das Mädchen wurde im Mai 1941 schwanger. Dem Polen drohte die Todesstrafe durch Erhängen.
Ilse Koniezny (geb. Kamp) erinnert sich nach über 20 Jahren:
»…Es war bei uns ein reines Liebesverhältnis, und dadurch kam es zu intimen Beziehungen.«
Die Schwangerschaft wurde seinerzeit ärztlich bestätigt. Eine Mitarbeiterin der NSDAP-Kreisleitung in Wetzlar (Buderus-Villa) erfuhr davon. Der NSDAP Kreisleiter Wilhelm Haus veranlasste daraufhin die Einschaltung der Staatspolizeileitstelle in Frankfurt, woraufhin der verdächtige Pole festgenommen und in ein Frankfurter Gefängnis gebracht wurde. Dort blieb er acht Monate lang bis April 1942.
Die schwangere Ilse wurde bald darauf ebenfalls weggebracht, gebar im Februar 1942 in Düsseldorf einen Jungen und kam später in ein Konzentrationslager.
Der mit der Hinrichtung beauftragte Henker, der damals 30-jährige Amtsgehilfe Bernhardt Weyland (Stapo-Leitstelle, Frankfurt), erinnert sich bei seiner Vernehmung 22 Jahre später an die Hinrichtung im Wald unweit dem Hof Moritzburg in Königsberg:
Zitat
»Auf der Fahrt nach Wetzlar befand ich mich bei dem Polen in dem geschlossenen Aufbau […] In dem Kastenaufbau waren beiderseits Sitzbänke befestigt. Der Pole trug Handschellen. Unserem Wagen folgten dann mehrere PKW, in denen die leitenden Beamten der Stapostelle Ffm. saßen… Bei unserer Ankunft waren mehrere Amtswalter der NSDAP und mehrere Polen versammelt. Mit Hilfe eines Kraftfahrers […] baute ich dann den Galgen auf […] der Pole wurde zum Galgen geführt.«

Karteikarte der Gestapo mit dem Vermerk über die Hinrichtung von W Kaczmarek
Weitere Schilderung in der Vernehmung von Bernhardt Weyland (Stapo-Leitstelle, Frankfurt):
»Anschließend verlas der Leiter der Gestapostelle Ffm, Regierungsrat und SS-Obersturmbannführer Poche, das sogen. Todesurteil, das dann auch von dem Dolmetscher Sebisch ins polnische übersetzt wurde. Dann mussten Polen […] dem Polen den Strick um den Hals legen und das Bodenbrett der Galgenkiste lösen. Beim Bedienen der ca. 60 cm hohen Kiste klappten beide Bretterteile nach innen und das Opfer strangulierte. Der Pole hing ca. 10 Min., bevor der Arzt […] den Tod »feststellte […] die Hinrichtungsszenen wurden von einem Angehörigen der Gestapostelle fotografiert […]. Die Polen, es waren zwei oder drei, mussten dann die Leiche abnehmen und einsargen.
Danach wurde der Sarg von einem Begleitkommando zur Anatomie der Universitätsklinik in Gießen überführt. Die Gestapo Frankfurt bekam ein Problem, denn der Pole gab Lebenszeichen von sich. Der begleitende stellvertretende Gestapoleiter Gabbusch trug vor, man könne doch dem Polen eine Giftspritze geben, damit er endlich tot sei. Dieses Ansinnen stieß jedoch auf Widerspruch beim zuständigen Arzt und dessen Mitarbeiter, dem Institutspräparator und Hausmeister Max Ament, der zuvor seinen Vorgesetzten von der verbrecherischen Absicht des Gestapo-Beamten benachrichtigt hatte. „[…] morgens, als ich das Institut betrat […] kam mir Max Ament völlig aufgelöst und verstört entgegen und äußerte zunächst etwa folgendes: man verlangt von mir, ich soll ihn umbringen! Einen Menschen einfach umbringen, nein, das kann ich nicht und das darf ich nicht und tue es nicht!«

Sterbeurkunde des Landkreis Wetzlar für Wladislaw Kaczmarek, ausgestellt am 22.12.1948 (ohne Hinweis auf das NS-Verbrechen der Ermordung von Wladislaw Kaczmarek) © Quelle: Hessisches Staatsarchiv Wiesbaden.

Sterbeurkunde der Gemeinde Hohensolms (LK WZ für Wladislaw Kaczmarek, ausgestellt am 18.12.1950 (ohne Hinweis auf das NS-Verbrechen der Ermordung von Wladislaw Kaczmarek) © Quelle: Hessisches Staatsarchiv Wiesbaden
Die hier dargestellten Recherchen stammen von unserem Vereinsmitglied Wolfgang Appel, der über das Schicksal von Wladislaw Kaczmarek unter anderem im Hessischen Staatsarchiv Wiesbaden forschte. Gemeinsam mit Ernst Richter veröffentlichte er in der heimatgeschichtlichen Rubrik DAMALS der WNZ am 09.10.2020 eine Zeitungsseite zum fatalen Schicksal des polnischen Zwangsarbeiters.
Zudem berichtete am 18.10. 2017 die Wetzlarer Neue Zeitung darüber, dass der Kultur- und Heimatverein Hohenahr nahe des Hofgutes Moritzburg eine Gedenktafel zu Ehren von Wladislaw Kaczmarek auf einem Holzsockel errichtete. Diese trägt die Inschrift:
»Hier wurde der 21-jährige, polnische Zwangsarbeiter Wladislaw Kaczmarek am 9. April 1942 von Angehörigen der SS und der Gestapo aus Frankfurt mit einem mobilen Galgen hingerichtet.
Die örtlichen Amtsinhaber und NS-Mitglieder mussten ebenso zusehen wie alle Zwangsarbeiter aus der Umgebung, die zur Abschreckung herangeschafft wurden. Da der Pole nicht gleich tot war, wurde er später im Sarg mit zwei Genickschüssen getötet.
Ihm wurde ein Verhältnis zur 18-jährigen Ilse K. vorgeworfen, die ebenfalls auf dem nahen Bauernhof arbeitete und schwanger wurde. Das galt als »Rassenschande« und wurde in diesem Fall mit äußerster Härte bestraft, weil niemand fähig oder bereit war, den Vorgang zu vertuschen.
Text: Heimat- und Kulturverein Hohenahr e.V.
Bild: Das Bild auf der Gedenktafel ist nicht von der Hinrichtung Kaczmareks gemacht worden. Es stammt aus dem Archiv der Gendenkstätte Buchenwald.
Wir danken Wolfgang Appel für seine Arbeit, ohne die wir diesen Beitrag so nicht hätten veröffentlichen können.