In der Jahnstraße wurden 1942 die noch in Wetzlar lebenden jüdischen Menschen gettoisiert, bevor sie in Konzentrationslager deportiert und dort ermordet wurden.

1939 konzentrierte man die nach den Nürnberger Rassegesetzen als »Volljuden« bezeichneten Menschen auf mehrere »Judenhäuser« in der Stadt. Im März 1942 existierten in Wetzlar fünf davon. Dennoch lebten viele Juden auch noch in Einzelhäusern im Stadtgebiet verteilt. Von den 34 verbliebenen Juden wurden 25 im April 1942 in einer Baracke im Vorort Niedergirmes zusammengepfercht, während das Reichsfinanzamt das Inventar ihrer zurückgelassenen Wohnungen in der Gaststätte »Zum Bräustübl«, Am Eselsberg) versteigerte. Das »Sammellager Niedergirmes« in der Jahnstraße 3 war eine zusätzliche Stufe der Internierung. Die erste Deportation mit 24 Juden vom Wetzlarer Bahnhof aus erfolgte am 10. Juni 1942. Hinzu kamen 75 jüdische Bürger aus dem Landkreis. Es handelte sich dabei ausschließlich um »Volljuden«. Der Zug brachte sie zunächst nach Frankfurt am Main und dann in Richtung Lublin, wo sie in den Lagern Majdanek und Sobibor umgebracht wurden.

Der zweite Transport mit den übrigen zehn Wetzlarer »Volljuden« und weiteren 24 aus dem Kreisgebiet war für den 28. August 1942 festgelegt worden. Dieser führte über eine Zwischenstation in Frankfurt nach Theresienstadt. Zumindest eine Jüdin aus Wetzlar wurde von dort aus ins Vernichtungslager Treblinka verschleppt und dort ermordet. Emilie Stern ist die vermutlich einzige Deportierte aus Wetzlar, die ihre Verschleppung überlebte. Sie wurde am 8. Mai 1945 aus dem KZ Theresienstadt von der Roten Armee befreit.

Nach der Verschleppung aller »Volljuden« lebten in der Stadt nur noch neun Juden »in privilegierter Mischehe mit Ariern«, darunter auch eine Witwe. Nur im Gau Hessen-Nassau erfolgte im Jahr 1943 schon die Verschleppung dieser Juden. Sie wurden einzeln deportiert, unter anderem in das Konzentrationslager Auschwitz. Ende selben Jahres war Wetzlar somit offiziell »judenfrei«. Die Verbliebenen, von den Nationalsozialisten als »jüdische Mischlinge« bezeichneten Menschen wurden herabgewürdigt und in vieler Hinsicht benachteiligt.

Auch deren Verschleppung war schon vorbereitet, aber 1945 nicht mehr vollzogen worden, nachdem die US-Amerikaner Wetzlar vom Faschismus befreit hatten.

Gedenktafel seit 2006 am Wohnhaus der GEWOBAU

Anfang 2000 recherchierte Karsten Porezag für sein Buch »Als aus Nachbarn Juden wurden« und befragte hierzu Anrainer aus der Jahnstraße über die Ereignisse im Jahre 1942. Und er wurde fündig. In schriftlichen Berichten schilderten manche, wie sie als Kinder erlebt haben, dass die jüdischen Menschen in die Baracke einziehen mussten. Und wie Nazischergen die Bewohner auf offener Straße misshandelten. 2004 ergriff er die Initiative dafür, dass diese Gedenktafel realisiert wurde. Die GEWOBAU erteilte hierzu am 24.01.2005 ihr Einverständnis. Die Tafel wurde im Namen des Magistrats 2006 montiert.

Standortorientierung mit Google-Maps

Gedenktafel zum Jüdisches Getto
Jahnstraße 3 | D 35578 Wetzlar-Niedergirmes