Esther Bejarano starb am Morgen des 10. Juli 2021 im Alter von 96 Jahren in einem Krankenhaus.
Die Nachricht, dass sie schmerzfrei eingeschlafen ist, tröstet. Denn Esther hat in ihrem Leben viele Schmerzen erleiden müssen, die ihr die menschenfeindlichen Nazis zugefügt haben. Doch sie trotzte dem Versuch, sie zu vernichten: Sie überlebte das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, das KZ Ravensbrück und einen Todesmarsch. Esther Bejarano (geborene Loewy) wuchs in Saarbrücken und Ulm auf, wo ihr Vater als Kantor der jüdischen Gemeinde arbeitete. Wie viele andere Überlebende des Holocaust musste auch Esther nach der Befreiung 1945 ihr Leben ohne Eltern bewerkstelligen, denn sie wurden von den Nationalsozialisten ermordet.
Esther wanderte nach Israel aus, heiratete, bekam zwei Kinder. Zurück in Deutschland engagierte sie sich seit den 1970er Jahren gegen Alt- und Neonazis. In den letzten zehn Jahren ihres Lebens stand sie mit der der Rapband »Microphone-Mafia« auf der Bühne. Unermüdlich berichtete sie in Schulen und bei Veranstaltungen von den Gräueln der Nazizeit. »Ihr müsst wissen, was passiert ist, damit so etwas nie wieder geschieht«, sagte sie bei einem der vielen Online-Zeitzeugengespräche, bei denen sie via Telefon während der Pandemie in Videokonferenzen des Instituts für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung (ISFBB) e.V. zugeschaltet wurde und an denen hunderte Schüler*innen und Erwachsene teilnahmen. »Mit Esther Bejarano geht eine moralische Institution von uns – eine Frau mit Charisma, eine Frau, die nie akzeptieren wollte, dass Naziaufmärsche bis heute erlaubt werden«, erklärte Birgit Mair vom ISFBB anlässlich des Todes von Esther Bejarano.
Wir haben Esther Bejarano bei Veranstaltungen in den letzten Jahren erleben und kennen lernen dürfen. Sei es bei dem großen Aktionstag gegen einen NPD-Aufmarsch am 16.07.2011 in Gießen, wo sie mit ihren Kindern und der Microphone-Mafia auf der Open-Air-Bühne vor dem Gießener Gewerkschaftshaus auftrat. Oder bei dem Konzert von Haiger gegen Rechts am 05.11.2017 in der Stadthalle Haiger. Sie war eine äußerst liebenswerte, ehrliche und direkte Frau.
Sie hinterlässt zwei Kinder und ein riesiges Netzwerk an Freundinnen und Freunden, denen wir unser tiefstes Mitgefühl aussprechen. Hierzu zählt auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen, deren Ehrenpräsidentin Esther war. So rief sie dazu auf, den 8. Mai als nationalen Gedenktag der Befreiung Deutschlands vom Hitlerfaschismus zum gesetzlichen Feiertag zu erklären:
»Ich fordere: Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NS-Regimes. Am 8. Mai wäre dann Gelegenheit, über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken: Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit.«