Gedenkstättenfahrt zum Frankfurter Gallus-Viertel
• Rundgang • Führung • Vortrag
• Gedenkfeier zur Geschichte des KZ-Außenlagers Katzbach

Als Gedenkstättenbesuch führte WETZLAR ERINNERT e.V. am 24.03.2019 eine Fahrt in das Frankfurter Gallusviertel durch. Ziel der Reise waren die ehemaligen Adlerwerke, in denen 1944 das Außenlager Katzbach des KZ Natzweiler-Struthof eingerichtet wurde. Die dort zur Zwangsarbeit in den Adlerwerken eingesetzten KZ-Häftlinge erlitten hier unbeschreibliche Qualen. Nur wenige von ihnen überlebten.

Die Fahrt beinhaltete eine Exkursion über das Gelände der ehemaligen Adlerwerke und einen Vortrag. Danach haben die 12 Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Gelegenheit gehabt, an der Gedenkveranstaltung der Initiative zur Errichtung einer Gedenkstätte für das KZ Katzbach teilzunehmen. Geboten wurden hier neben Reden auch Musik und Filme. Nachfolgend Bericht, Bilder, Programm und Hintergrundinformationen. Gewünschtes anklicken.

Bericht und Bilder unserer Fahrt in den Frankfurter Gallus in dem nachfolgenden Aufklappmenü:

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Bericht von der Fahrt

Von Andrea Neischwander
Die diesjährige Gedenkstättenfahrt von Wetzlar erinnert e.V. hatte das Frankfurter Gallus-Viertel, insbesondere die ehemaligen Adler-Werke, in denen 1944 das Außenlager Katzbach des KZ Natzweiler eingerichtet worden war, zum Ziel.

Am Sonntag, dem 24. März 2019 trafen sich die zwölf Teilnehmenden um 12:30 Uhr am Wetzlarer Bahnhof. Per Zug und S-Bahn kurz nach 14:00 Uhr an der Gallus-Warte angekommen, wurde die Gruppe von Herbert Bauch (Vorstandsmitglied des Fördervereins für die Einrichtung einer Gedenk- und Bildungsstätte KZ-Katzbach in den Adlerwerken und zur Zwangsarbeit in Frankfurt am Main) begrüßt, der die Gruppe an diesem Tag begleitete.

Besuch des Gallus-Zentrums

Nach einem gemeinsamen Mittagessen war der erste Programmpunkt der Besuch des Gallus -Zentrums in der Kriftelerstraße. Der Schwerpunkt dieses Medienzentrums liegt in der aktiven Medienarbeit mit Kindern und Jugendlichen.

Ein Kooperationsprojekt zwischen dem Gallus-Zentrum, dem Förderverein Gedenkstätte KZ-Katzbach und dem Goethe-Gymnasium Frankfurt trägt den Obertitel »Die letzten Zeugen«. Die 23 Schüler*innen nahmen die Zeitzeugenberichte aus dem Buch »Die letzten Zeugen« von Joanna Shibinska zur Grundlage, um sich filmisch in die letzten Kriegsjahre in den Frankfurter Adlerwerken hinein zu versetzen.

Die Medienpädagogin Sabine Hoffmann berichtete von der Entwicklung dieses Projektes und veranschaulichte, dass die filmische Auseinandersetzung eine wichtige Arbeitsweise einer neuen Erinnerungspädagogik ist. Der Abschluss des Programmpunktes war die Vorführung der drei in diesem Projekt entstandenen Kurzfilme.

Nächster Programmpunkt war der Vortrag von Herbert Bauch, in dem er darstellte, wie die Adlerwerke zu einem Ort des Verbrechens wurden.

Die 1880 von Heinrich Kleyer gegründeten Adlerwerke waren im schon Ersten Weltkrieg der Frankfurter Rüstungsbetrieb Nr. 1.

Bereits vor Beginn des Zweiten Weltkriegs stiegen die Adlerwerke erneut in das Rüstungsgeschäft ein und waren bald die wichtigsten Lieferanten von Schützenpanzern für die Wehrmacht.

Ab Juli 1941 beschäftigten die Adler-Werke französische Zivilarbeiter und ab 1942 waren es 2.000 russische Zwangsarbeiter*innen und 250 russische Kriegsgefangene, die für die Adler-Werke arbeiten mussten und im Ostarbeiterlager in Griesheim unter unmenschlichen Bedingungen lebten.

Nach den Luftangriffen der Alliierten im Frühjahr 1944 wurde es für die Firmenleitung schwierig die Kriegsproduktion am Laufen zu halten. Daher forderte sie, um ihren Bedarf an Arbeitskräften zu decken, KZ-Häftlinge an.

Unter dem Decknamen »Katzbach« wurde bis August 1944 in den Adler-Werken ein KZ-Außenlager eingerichtet, das dem Stammlager KZ-Natzweiler zugeordnet war. Die Mehrheit der 1.609 KZ-Häftlinge waren Männer aus Polen, die am Warschauer Aufstand 1944 beteiligt gewesen waren.

Die Todesrate des Lager Katzbach war die höchste aller hessischen KZ-Außenlager.

Am 13. März 1945 wurden 500 zur Arbeit nicht mehr fähige KZ- Häftlinge in einen Zug verfrachtet, der sie nach Bergen-Belsen bringen sollte. Als der Zug am 23. März 1945 sein Ziel erreichte, waren noch acht von ihnen am Leben.

Nachdem die Adler-Werke am 23. März 1945 ihre Produktion eingestellt hatten, wurden die verbliebenen KZ-Häftlinge am 24. März 1945 in einem Todesmarsch nach Buchenwald getrieben.

Am 30. März 1945 trafen dort etwa 280 Häftlinge ein. Einige von ihnen überlebten in den Krankenblocks des KZ-Buchenwald, andere wurden in weiteren Todesmärschen in das KZ-Dachau getrieben. Knapp 40 Häftlinge aus den Adlerwerken wurden am 27. April 1945 von der US-Armee in Dachau befreit.

Rundgang durch das Gallus-Viertel

Unser Weg zu den ehemaligen Adlerwerken führte uns am Golub-Lebedenko-Platz vorbei. Er ist benannt nach Adam Golub und Georgi Lebedenko. Beide wurden als Häftlinge des KZ-Katzbach am 14.03.1945 bei einem Fluchtversuch erschossen. Der Platz wurde 1998 benannt und gestaltet. Aktuell gibt es im Stadtteil Gallus einen Arbeitskreis zur Neugestaltung des Golub-Lebedenko-Platzes.

Am großen Eingang der ehemaligen Adlerwerke erinnert eine Gedenktafel an die Menschen, die hier Zwangsarbeit leisten mussten. Die Adlerwerke selbst sind ein Beispiel für den Strukturwandel, den das Gallus-Viertel, das lange Zeit eines der großen Industrieviertel Frankfurts war, durchlaufen hat. Nach Schließung und Umbau heißen sie heute Gallus-Park und sind der Sitz von Firmen des Dienstleistungsgewerbes.

Unsere letzte Station war das Gallus-Theater, das sich in einem in der Kleyerstraße gelegenen Gebäude der ehemaligen Adlerwerke befindet. Hier richtet der Förderverein seit 2017 an jedem 24. März eine Gedenkveranstaltung aus, um an den Todesmarsch der letzten Häftlinge des KZ-Katzbach zu erinnern.

Die Teilnahme an der Gedenkveranstaltung

Die Veranstaltung wurde von dem Vorsitzenden des Fördervereins Horst Koch-Panzner moderiert, die musikalische Rahmung gestaltete das »Schirn Saxophonquartett« in einfühlsamer Weise. Den Grußworten aus Kultur und Politik, folgten der Beitrag von Helga Roos von der Geschichtswerkstatt Gallus, der die »Arisierungen im Interesse und mit Beteiligung der Adlerwerke« thematisierte sowie der Beitrag von Thomas Schmitt, Pfarrer der St.Gallus-Gemeinde, der den Zusammenhang zwischen Erinnerung und Versöhnung zum Thema hatte.

Im Anschluss daran stellte der Förderverein seinen neuen Interview-Film »Ich habe nichts mehr gefühlt«, in dem sich der Zeitzeuge Andrzej Korczak Branecki an das KZ in den Adlerwerken erinnert, vor.

Weil die Abfahrt unseres Zuges immer näher rückte, musste dieser Programmpunkt für uns leider ausfallen. Als wir, die Teilnehmenden, uns um 21:30 Uhr am Wetzlarer Bahnhof verabschiedeten fanden wir das auch einstimmig sehr schade. Mittlerweile ist eine DVD des Films erworben worden, die den Teilnehmenden gerne zum Ansehen zur Verfügung gestellt werden kann.

PS: Anmerkung des Vorstandes:
Interview-Film »Ich habe nichts mehr gefühlt«:

Mittlerweile hat der Vorstand von WETZLAR ERINNERT e.V. beschlossen, den Film auf seiner Mitgliederversammlung am Do., den 06.06.2019 im Naturfreunde-Haus zu zeigen. Hierzu werden die Teilnehmer*innen der Gedenkstättenfahrt recht herzlich eingeladen.