August-Bebel-Denkmal
Unterdrückung, Zensur und Verbote
Bebelplatz 1

Der Name »Bebelplatz« erinnert an August Bebel (1840–1913), der 1869 zusammen mit Wilhelm Liebknecht die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP), eine der Vorläufer der SPD, gegründet hatte. Nach dem Tod seines Vaters hatte er viele Jahre seiner Kindheit in Wetzlar, der Heimat seiner Mutter, verbracht.

Im Februar 1933 war das am 19. August 1928 eingeweihte Bebel-Denkmal, ein Findling mit Gedenkplatte, von SA- und SS-Leuten entfernt und auf einem Platz in der Nähe des Bahnhofs vergraben worden. 1938 war der Stein wieder ausgegraben und mit einer Gedenkplatte für die Toten des 8. Jägerbataillons im Ersten Weltkrieg an der Silhöfer Aue aufgestellt worden. 1950 brachte man den Findling mit einer neuen Bronzeplatte wieder an seinen ursprünglichen Ort, aber auch diese Platte wurde in den 50er Jahren erneut entwendet. Anlässlich des 70. Todestages von August Bebel wurde dann am 13. August 1983 eine neu gegossene Bronzetafel enthüllt.

Das Haus Bebelplatz 1 bzw. Hauser Gasse 28/30 war ursprünglich das Gartenhaus des 1595 errichteten und 1916 abgerissenen Palais »Freidenburg«. 1818 gingen beide Gebäude an den preußischen Staat über und das Gartenhaus diente bis 1877 als Zeughaus der Wetzlarer Garnison. In den Folgejahren beherbergte das Haus das Wetzlarer Museum, die Büroräume des Deutschen Metallarbeiterverbandes sowie des »Städtischen Arbeitsnachweises«, wie die Arbeitsämter seinerzeit noch hießen.

1929 hatte der Deutsche Metallarbeiterverband das Gebäude der ehemaligen »Vereinigten Fellhandlungen Rosenthal« in Niedergirmes (heute: Niedergirmeser Weg 1/3) für eine Summe von 50.000 RM erworben und war dorthin umgezogen. Während des Zweiten Weltkriegs residierte hier am Bebelplatz der »Standortälteste« der Wehrmacht. Nach dem Krieg befanden sich in diesem Haus die Geschäftsräume der Wetzlarer SPD und der FDP.

Bei den Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung am 12. März 1933 hatte die SPD noch 26,4 % der abgegebenen gültigen Stimmen erreicht, die NSDAP bereits 27,6 %, die Deutsche Staatspartei DStP (Vorläuferin der FDP) – vermutlich durch ihren Spitzenkandidaten Ernst Leitz – 17,7 % und die KPD 3,5 %. Angesichts der bereits erfolgten Hausdurchsuchungen und Verhaftungsaktionen blieben die SPD-Stadtverordneten der Eröffnungssitzung des neuen Stadtparlaments fern. Bis zum Juni 1933 legten fast alle SPD-Stadtverordneten ihre Mandate nieder. Da Ende 1933 nur noch 18 von 26 Stadtverordneten im Amt waren, trat die Stadtverordnetenversammlung am 28. Dezember 1933 zu ihrer letzten Sitzung zusammen. Nach der Kommunalwahl im März 1933 wurden der am 1. April 1929 vom Kreistag gewählte SPD-Landrat Konrad Miß beurlaubt und die elf sozialdemokratischen Bürgermeister der Kreisgemeinden von den Nazis entlassen. Der NSDAP-Kreisleiter Grillo aus Braunfels wurde zunächst Kommissar für die Kreisverwaltung und ab 27. Mai 1933 zum Landrat bestellt.

Zerschlagung der Gewerkschaften
Nach der Zerschlagung der Gewerkschaften am 2. Mai 1933 wurde schließlich auch die SPD am 22. Juni 1933 im gesamten Reich verboten. Für viele bedeutete die Verfolgung als politischer Gegner Berufsverbot und jahrelange Arbeitslosigkeit. Die 1933 von den Nazis verbotene sozialdemokratisch orientierte Zeitung »Volksstimme« wurde heimlich weitergedruckt. Nach Aussage des Wetzlarer SPD-Zeitzeugen Franz Walther ist Lina Muders (1892–1977), die Begründerin der Wetzlarer Arbeiterwohlfahrt, heimlich nach Frankfurt gefahren und hat unter ihrer Kleidung versteckt die Zeitung in Mikroschrift nach Wetzlar gebracht. Sie wurde jedoch verraten, aus dem Zug heraus verhaftet und zu einer mehrmonatigen Zuchthausstrafe verurteilt.

Lina Muders
Sie versuchte während der Naziherrschaft, Verfolgten und in Not Geratenen zu helfen. Unmittelbar nach Kriegsende, am 22. Mai 1945, wurde sie in den Aufbau-Ausschuss der Stadt Wetzlar berufen. Seit 1946 gehörte sie dem Kreistag des Kreises Wetzlar an, und im selben Jahr initiierte sie den Wiederaufbau der Arbeiterwohlfahrt in der Stadt und im Kreis Wetzlar. Für ihr Wirken wurde ihr das Bundesverdienstkreuz verliehen. Seit 2010 gibt es den Lina-Muders-Preis, der vom SPD-Stadtverband alljährlich für Projekte und Handlungen zur Stärkung des demokratischen Bewusstseins und für Zivilcourage verliehen wird. Auch in Wetzlar war die Zerschlagung der Gewerkschaften von langer Hand geplant.

Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold
Selbst ein Demonstrationszug des »Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold« konnte – trotz der 4.000 Teilnehmer in der Wetzlarer Innenstadt – daran nichts ändern. Ab 1927 hatten sich vornehmlich in Berliner Großbetrieben NSDAP-Mitglieder zu Betriebsgruppen zusammengeschlossen, aus denen sich 1928 die »Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation« NSBO bildete. Ende des Jahres 1931 hatte die NSBO ca. 300.000 Mitglieder, während die Freien und Christlichen Gewerkschaften nach wie vor weit über fünf Millionen Mitglieder aufweisen konnten. Zu reichsweiter Bedeutung gelangte die mit dem 2. Mai 1933, als sie zum Träger der Aktion »Besetzung der Gewerkschaftshäuser« wurde. Wenige Tage nach dem Verbot der Gewerkschaften in Deutschland am

Gleichschaltung
2. Mai 1933 wurde am 10. Mai 1933 die Deutsche Arbeitsfront (DAF) gegründet. Damit wurde das Führerprinzip der Politik auf die Wirtschaft übertragen. Das Streikrecht wurde abgeschafft. 1935 wurde die NSBO zu Gunsten der DAF aufgelöst.

Das Gewerkschaftshaus des Deutschen Metallarbeiterverbandes (Verbandskreisleitung) samt ADGB-Büro für die Stadt und den Kreis Wetzlar im heutigen Niedergirmeser Weg 1–3 (früher: Überführung 1–3) musste während der Reichstagswahlen am 5. März 1933 bewacht werden. Die Angst vor Übergriffen durch SS und SA war zu groß. Trotzdem kam es nach der Wahl zu Plünderungen und Sachbeschädigungen des Hauses. Am 2. Mai 1933 besetzten die SA-Horden nach der Zerschlagung der freien Gewerkschaften deren Häuser und beschlagnahmten deren Vermögen im Deutschen Reich – so auch in Wetzlar. Fortan richtete die der NSDAP unterstellte Deutsche Arbeitsfront (DAF) ihr Büro im Gewerkschaftshaus Wetzlar ein.

Über den schleichenden Prozess des Abbaus demokratischer Grundrechte bis zur völligen Gleichschaltung der deutschen Gesellschaft vom Sommer 1932 bis Sommer 1933 sowie über die damit einhergehende Verfolgung der Arbeiterbewegung haben Dr. Bergis Schmidt Ehry und Ernst Richter in der heimatgeschichtlichen Rubrik DAMALS der WNZ einen zweiteiligen Aufsatz am 21. und 28.04.2018 geschrieben. Die zwei Zeitungsseiten sind als PDF einseh- und abrufbar.